Antisemitismus in der
FDP.
Das hätte sich Jürgen
Möllemann nicht träumen lassen. Gehören denn zu einer ordentlichen
Spaßpartei nicht auch ein paar deftige Judenwitze? Er wollte die FDP
doch nur für diejenigen attraktiv machen, die ihre antijüdischen
Ressentiments bisher nur hinter vorgehaltener Hand auszudrücken
wagten. Immerhin haben in der Bundesrepublik etwa 15 Prozent der Wähler
ein rechtsextremes Weltbild, und noch mehr glauben, dass die Juden
hierzulande ohnehin zu viel zu sagen hätten. Wer fest am Projekt 18
arbeitet, darf da beim Stimmenfang nicht zimperlich sein. Doch der
passionierte Fallschirmspringer hat sich verschätzt. Nun droht der
Absturz. Nachdem sich nach Otto
Graf Lambsdorff am vorigen Wochenende auch der zweite Ehrenvorsitzende
der FDP, Hans-Dietrich Genscher, »mit Nachdruck« gegen die
Parteimitgliedschaft des nordrhein-westfälischen Parlamentariers und
ehemaligen Grünen Jamal Karsli ausgesprochen hat, dürfte die
Korrektur des Aufnahmebeschlusses des FDP-Kreisverbandes in
Recklinghausen vom vergangenen Mittwoch nur noch eine Frage der Zeit
sein. Offen ist, ob Karsli erst auf der Sondersitzung des
FDP-Landesvorstands am 3. Juni rausfliegt oder schon vorher.
Denn das Votum des früheren
Bundesaußenministers, der lange zu den Eskapaden seines einstigen
politischen Ziehsohns Möllemann geschwiegen hatte, hat nun auch
Parteichef Guido Westerwelle dazu gebracht, sein bisheriges taktisches
Lavieren aufzugeben. »Der auf der Landesliste der Grünen gewählte
nordrhein-westfälische Landtagsabgeordnete Jamal Karsli hat nach
seinen inakzeptablen Äußerungen keinen Platz in der FDP«, lautet
jetzt Westerwelles Meinung. Und er wird dafür sorgen müssen, dass
sie gehört wird.
Am kommenden Wochenende
will Westerwelle in den Nahen Osten reisen, um »außenpolitische
Kompetenz« zu demonstrieren und sowohl Yassir Arafat als auch Ariel
Sharon zu treffen. Hat er bis dahin das Problem Karsli nicht gelöst,
könnte sein Trip zum Fiasko werden. Außerdem kann sich der »Kanzlerkandidat«
Westerwelle in Wahlkampfzeiten keine innerparteiliche Niederlage
leisten. Der Fall Karsli könnte
also für die FDP bald eine abgeschlossene Episode sein, an die sich
die Liberalen nicht mehr gerne erinnern werden. So wie auch die Grünen
am liebsten vergessen würden, dass Karsli sieben Jahre lang für sie
im Parlament saß und die meisten der ihm vorgeworfenen
antiisraelischen und antisemitischen Äußerungen in seine Zeit bei
den Grünen fallen - ohne dass sich Fischer, Roth & Co. öffentlich
distanziert hätten.
Schon im November des
vergangenen Jahres zog Karsli in Bochum zusammen mit Möllemann auf
dem Herbsttreffen des Vereins Arabischer Ärzte gegen Israel zu Felde,
und niemand in der grünen Partei fühlte sich berufen, sich genauer
mit den Ansichten des gebürtigen Syrers zu beschäftigen. Die wurden
für die Grünen erst mit seinem Übertritt zur FDP interessant.
Inzwischen geht es aber
nicht mehr nur um Karsli, sondern in erster Linie um Möllemann.
Bisher wischte der umtriebige Plapperer alle gegen ihn erhobenen Vorwürfe
mit der Bemerkung vom Tisch, Kritik an der Regierung Sharon müsse
doch wohl noch erlaubt sein. Damit ist er viel zu lange durchgekommen.
Mit seinem jüngsten Angriff auf Michel Friedman hat er jedoch einen
kalkulierten Affront gewagt, der auch dem letzten Wohlmeinenden klar
gemacht haben sollte: Hier agiert ein Antisemit.
Denn mit seinem Vorwurf
an den Vizepräsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, er
verschaffe »mit seiner intoleranten und gehässigen Art« den
Antisemiten in der Bundesrepublik erst Zulauf, hat er ein gängiges
antisemitisches Klischee bemüht: Der Jude ist selber schuld am
Judenhass. Damit ist es mit dem Spaß vorbei bei der Spaßpartei.
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