22.05.2002

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Jungle World

*   Verstehen Sie Spaß?
Von Pascal Beucker

Antisemitismus in der FDP.

Jürgen W. MöllemannDas hätte sich Jürgen Möllemann nicht träumen lassen. Gehören denn zu einer ordentlichen Spaßpartei nicht auch ein paar deftige Judenwitze? Er wollte die FDP doch nur für diejenigen attraktiv machen, die ihre antijüdischen Ressentiments bisher nur hinter vorgehaltener Hand auszudrücken wagten. Immerhin haben in der Bundesrepublik etwa 15 Prozent der Wähler ein rechtsextremes Weltbild, und noch mehr glauben, dass die Juden hierzulande ohnehin zu viel zu sagen hätten. Wer fest am Projekt 18 arbeitet, darf da beim Stimmenfang nicht zimperlich sein. Doch der passionierte Fallschirmspringer hat sich verschätzt. Nun droht der Absturz.

Nachdem sich nach Otto Graf Lambsdorff am vorigen Wochenende auch der zweite Ehrenvorsitzende der FDP, Hans-Dietrich Genscher, »mit Nachdruck« gegen die Parteimitgliedschaft des nordrhein-westfälischen Parlamentariers und ehemaligen Grünen Jamal Karsli ausgesprochen hat, dürfte die Korrektur des Aufnahmebeschlusses des FDP-Kreisverbandes in Recklinghausen vom vergangenen Mittwoch nur noch eine Frage der Zeit sein. Offen ist, ob Karsli erst auf der Sondersitzung des FDP-Landesvorstands am 3. Juni rausfliegt oder schon vorher.

Denn das Votum des früheren Bundesaußenministers, der lange zu den Eskapaden seines einstigen politischen Ziehsohns Möllemann geschwiegen hatte, hat nun auch Parteichef Guido Westerwelle dazu gebracht, sein bisheriges taktisches Lavieren aufzugeben. »Der auf der Landesliste der Grünen gewählte nordrhein-westfälische Landtagsabgeordnete Jamal Karsli hat nach seinen inakzeptablen Äußerungen keinen Platz in der FDP«, lautet jetzt Westerwelles Meinung. Und er wird dafür sorgen müssen, dass sie gehört wird.

Am kommenden Wochenende will Westerwelle in den Nahen Osten reisen, um »außenpolitische Kompetenz« zu demonstrieren und sowohl Yassir Arafat als auch Ariel Sharon zu treffen. Hat er bis dahin das Problem Karsli nicht gelöst, könnte sein Trip zum Fiasko werden. Außerdem kann sich der »Kanzlerkandidat« Westerwelle in Wahlkampfzeiten keine innerparteiliche Niederlage leisten.

Der Fall Karsli könnte also für die FDP bald eine abgeschlossene Episode sein, an die sich die Liberalen nicht mehr gerne erinnern werden. So wie auch die Grünen am liebsten vergessen würden, dass Karsli sieben Jahre lang für sie im Parlament saß und die meisten der ihm vorgeworfenen antiisraelischen und antisemitischen Äußerungen in seine Zeit bei den Grünen fallen - ohne dass sich Fischer, Roth & Co. öffentlich distanziert hätten.

Schon im November des vergangenen Jahres zog Karsli in Bochum zusammen mit Möllemann auf dem Herbsttreffen des Vereins Arabischer Ärzte gegen Israel zu Felde, und niemand in der grünen Partei fühlte sich berufen, sich genauer mit den Ansichten des gebürtigen Syrers zu beschäftigen. Die wurden für die Grünen erst mit seinem Übertritt zur FDP interessant.

Inzwischen geht es aber nicht mehr nur um Karsli, sondern in erster Linie um Möllemann. Bisher wischte der umtriebige Plapperer alle gegen ihn erhobenen Vorwürfe mit der Bemerkung vom Tisch, Kritik an der Regierung Sharon müsse doch wohl noch erlaubt sein. Damit ist er viel zu lange durchgekommen. Mit seinem jüngsten Angriff auf Michel Friedman hat er jedoch einen kalkulierten Affront gewagt, der auch dem letzten Wohlmeinenden klar gemacht haben sollte: Hier agiert ein Antisemit.

Denn mit seinem Vorwurf an den Vizepräsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, er verschaffe »mit seiner intoleranten und gehässigen Art« den Antisemiten in der Bundesrepublik erst Zulauf, hat er ein gängiges antisemitisches Klischee bemüht: Der Jude ist selber schuld am Judenhass. Damit ist es mit dem Spaß vorbei bei der Spaßpartei.


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