12.06.2002

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Von Pascal Beucker

Mitte der neunziger Jahre waren die Nationalliberalen in der FDP stark. Was ist aus ihnen geworden?

Irgendetwas hat Heiner Kappel falsch gemacht. Seit dem Sommer des vergangenen Jahres ist er Vorsitzender der Deutschen Partei, einer unbedeutenden ultrarechten Kleingruppe, deren wenige Mitglieder sich gerne an die fünfziger Jahre erinnern. An jene gute Zeit, als sie noch eine richtige Partei war, in Niedersachen sogar den Ministerpräsidenten stellte und zusammen mit der FDP in ganz Deutschland Stimmen am rechten Rand sammelte, um Adenauers Mehrheit zu sichern.

Kappels gute Zeit waren die neunziger Jahre. Damals war der heute 63jährige noch in der FDP, wo er es zum stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden im hessischen Landtag brachte, mit den gleichen rechten Parolen, mit denen er auch heute noch zu reüssieren versucht. »Wir müssen das Nationale wieder positiv besetzen«, verkündete er damals und wollte die FDP zu einer nationalliberalen Partei rechts von der Union machen. Ein Potenzial von über 15 Prozent der Stimmen hatte er einer solchen Partei vorausgesagt, ganz so wie er es in seiner hessischen Heimatstadt Bad Soden bereits realisiert hatte: 17,6 Prozent holte er dort bei der Kommunalwahl im Frühjahr 1997. Damit war er schon ziemlich nahe dran am Projekt 18, während anderswo die FDP noch mit der Fünfprozenthürde kämpfte.

Im Mai 1997 kandidierte Kappel sogar für die von ihm und dem ehemaligen Generalbundesanwalt Alexander von Stahl angeführte innerparteiliche rechte Gruppe »Liberale Offensive« gegen den amtierenden Vorsitzenden Wolfgang Gerhardt - und verlor. Mit der Niederlage begann sein Abstieg. Im September schloss ihn die FDP-Landtagsfraktion aus, nachdem er auf zwei Veranstaltungen des Bundes Freier Bürger (BFB) des ehemaligen FDPlers Manfred Brunner aufgetreten war. Zwar wurde er danach noch zum Direktkandidaten für die Bundestagswahl im Main-Taunus-Kreis nominiert, doch als ihm die hessische FDP einen sicheren Listenplatz verweigerte, trat Kappel Ende 1997 nach 24 Jahren Mitgliedschaft aus der FDP aus. Zu früh, wie er heute frustriert feststellt: »Ich muss blöd gewesen sein, diesen Pappnasen so leicht das Feld zu überlassen.«

Denn an der Seite von Jürgen W. Möllemann würde er heute gerne um die Lufthoheit über den Stammtischen kämpfen. »Möllemann hat Recht.« Er besetze jedoch nur die Themen, die Kappel einst entwickelt habe. Er selbst habe schon vor zehn Jahren und mehr die ewigen Verbeugungen deutscher Politiker vor dem Zentralrat der Juden und dem »Vorzeige-Juden« Michel Friedman kritisiert. Mit Antisemitismus habe das selbstverständlich nichts zu tun.

Das sieht Alexander von Stahl ähnlich. »Kritik an Repräsentanten des Zentralrats der Juden muss erlaubt sein, aber das bedeutet noch keinen Antisemitismus«, so nimmt er Möllemann in Schutz. Aber das scheint die einzige Gemeinsamkeit mit Kappel zu sein. Denn im Gegensatz zu seinem einstigen Weggefährten ist der langjährige FDP-Fraktionsgeschäftsführer im Berliner Abgeordnetenhaus immer noch bei den Liberalen.

Und er hat nicht vergessen, dass Möllemann Mitte der neunziger Jahre zu jenen gehörte, die »unsere Bestrebung, eine Versöhnung von Liberalismus und Nation herbeizuführen«, ablehnten. Wie Kappel versuchte von Stahl damals, die FDP auf einen stramm rechten Kurs zu bringen. »Berliner Positionen einer liberalen Erneuerung« nannte er sein Strategiepapier, an dem neben anderen auch der neurechte damalige Welt-Redakteur Rainer Zitelmann mitgearbeitet hatte.

Der rhetorisch recht unbedarfte Stahl avancierte in kürzester Zeit zur Galionsfigur der Nationalliberalen, die vor allem im Berliner FDP-Landesverband Zulauf hatten. 1996 und 1998 kandidierte er für den Posten des Landesvorsitzenden und verlor beide Male nur knapp. Danach schwand allerdings seine Basis. Noch auf dem Parteitag im Januar 1998 trat ein Teil seiner Gesinnungsfreunde um Markus Roscher aus der Partei aus. »Ich halte Wort, für uns Nationalliberale gibt es in der FDP keine Zukunft mehr, also hat auch die FDP keine Zukunft mehr«, sagte Roscher damals.

Nach einem Abstecher zum BFB ist Roscher heute in der CDU, und er ist Vorsitzender der Liberalen Gesellschaft in Berlin. In dieser Funktion ergriff er nun auch Partei für Möllemann. Dessen Aussagen seien nur »der verzweifelte Versuch eines Politikers, eine ausgewogene Erklärung für die gegenseitigen menschenverachtenden Handlungen der Konfliktparteien zu finden«. Wer jedoch jedwede Kritik an israelischer Politik gleich als Antisemitismus ahnde, »erzeugt möglicherweise das Gegenteil (!) von dem, was er verhindern möchte: Nämlich einen aufkommenden Antisemitismus.«

Auch in der FDP sind Stahls Mitstreiter nicht von der politischen Bühne verschwunden. Mit Wolfgang Mleczkowski, dem Mitautor der »Berliner Positionen einer liberalen Erneuerung«, und Axel Hahn haben sie mindestens zwei Vertreter im Berliner Abgeordnetenhaus.

Und dann gibt es da noch Klaus Rainer Röhl. Der ehemalige konkret-Herausgeber marschierte 1995 im Schlepptau Zitelmanns in die FDP und trat dem Kölner Kreisverband der Liberalen bei. Dort ist er auch heute noch. Das führt manchmal zu Peinlichkeiten. So wurde Röhl auch wegen des Protests der FDP-Kreisvorsitzenden Carola Möllemann-Appelhoff im Herbst 2000 von einer Veranstaltung des Bundes der Vertriebenen in Münster wieder ausgeladen. Es sei »unerträglich«, dass dort mit Röhl ein bekannter »Publizist der Neuen Rechten« auftrete, tönte Möllemann-Appelhoff. Dass Röhl ihr Parteikollege ist, hatte sie übersehen. Auch von einem Parteiausschlussverfahren gegen den 73jährigen will die FDP bis heute nichts wissen.

Auch Alexander von Stahl ist immer noch aktiv, als Werbemännchen (»Ich lese gern eine unabhängige Zeitung«) und Rechtsanwalt für die Junge Freiheit. Das rechtsextreme Blatt vertritt er in einem Prozess gegen das Land Nordrhein-Westfalen vor dem Bundesverfassungsgericht. Denn ebenso wie die JF-Redaktion hält er es für rechtswidrig, dass der Wochenzeitung seit 1995 in den Verfassungsschutzberichten des Landes »Anhaltspunkte für den Verdacht auf rechtsextremistische Bestrebungen« bescheinigt werden. Ansonsten machte Stahl in letzter Zeit nur noch einmal Schlagzeilen, als ihn Ronald Schill als möglichen Hamburger Justizsenator ins Gespräch brachte. Das hätte noch gefehlt.


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