Wolfgang Clement, der
künftige Minister für Wirtschaft und Arbeit, ist ein typischer
sozialdemokratischer Biedermann mit konservativen Gesellschafts- und
neoliberalen Wirtschaftsvorstellungen.
»Ich sage ohne Übertreibung,
es gibt niemanden, der so wie Wolfgang Clement in der Lage wäre,
diese Aufgabe anzupacken und sie zu meistern«, übertrieb
Bundeskanzler Gerhard Schröder am Anfang der vorigen Woche, als er
den nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Wolfgang Clement als
künftigen »Superminister« für Wirtschaft und Arbeit präsentierte.
Auch wenn sich Clement
zunächst zierte, das ihm bereits am 15. September hinter
verschlossenen Türen und ohne Wissen der bisherigen Amtsinhaber
Werner Müller und Walter Riester unterbreitete Angebot anzunehmen,
konnte er es gar nicht ablehnen. Denn es verschafft ihm einen guten
Abgang aus Düsseldorf, mit dem er nicht mehr hatte rechnen dürfen.
Schließlich war das Ende der kurzen Ära Clements als Ministerpräsident
des Landes bereits absehbar. Mit Glück hätte er dann bei der nächsten
Landtagswahl im Jahr 2005 noch einmal antreten dürfen. Dann wäre es
nur noch um die Modalitäten der Übergabe an seinen Nachfolger
gegangen. Nun geht Clement nach
Berlin, ohne dass sein Ruf als »Macher« und »Modernisierer«, den
er besonders in der Wirtschaft genießt, ernsthaften Schaden gelitten
hat. »Ich erwarte, dass wir ein Ministerium für Arbeit und
Wirtschaft bekommen und nicht andersherum«, verlangte der
DGB-Vorsitzende Michael Sommer deshalb in der Frankfurter Allgemeinen
Sonntagszeitung.
Die Gegenseite zeigt
sich erfreut über die Ernennung Clements. Michael Rogowski, Präsident
des BDI, sagte, er sei »froh, dass da jetzt ein Mann an der Spitze
stehen wird, der pragmatisch und offen ist, der standfest ist, der
zupackt und vor allem einer, der Gewicht hat in der SPD«. Die
Berufung Clements zum neuen »Superminister« der rot-grünen
Bundesregierung, so verkündete Rogowski, sei »ein Hoffnungsschimmer,
dass die Politik sich etwas unabhängiger macht von gewerkschaftlichen
Einflüssen und endlich die Fesseln löst, die sie zunehmend erwürgen«.
Die Regierung habe nun die Chance zu zeigen, dass es ihr ernst ist mit
einer wirtschaftspolitischen Wende. »Weniger Staat, mehr Markt;
weniger Intervention, mehr Wettbewerb; weniger Kollektivismus, mehr
Eigenverantwortung, weg vom Umverteilungsdenken hin zur Erschließung
von Wachstumspotenzial« - dahin müsse die Reise gehen, so Rogowski.
Dafür ist Clement in
der Tat der richtige Mann. In Bochum geboren, verkörpert er jenen
unangenehmen Typ des sozialdemokratischen Biedermanns, der
konservative Gesellschafts- mit neoliberalen Wirtschaftsvorstellungen
verbindet. Wenn es um die Interessen der Unternehmensverbände ging,
agierte er, wenn es sein musste, als Ministerpräsident auch gegen die
Linie der rot-grünen Bundesregierung. Ob es um sein Nein zur zweiten
Stufe der Ökosteuer, seine Ablehnung des Dosenpfands, sein vehementes
Eintreten für den Import von und die Forschung mit embryonalen
Stammzellen, die Liberalisierung des Ladenschlusses oder sein Faible für
neue Technologien und industrielle Großprojekte ging - auf Clement
war Verlass. Auch beim Abbau sozialer Standards. Zum Schrecken mancher
Sozialdemokraten glänzte er mitten im Bundestagswahlkampf mit dem
Plan, im bevölkerungsreichsten Land Studiengebühren einzuführen.
Erstaunlich ist nur,
dass sein Image als »Macher« auch außerhalb der Kreise, die von
seinem Wirtschaftslobbyismus profitieren, bislang gut ankam. Denn
Clement ist vor allem ein Mann der großen Worte und der mageren
Resultate. Zu Beginn der Legislaturperiode versprach er dafür zu
sorgen, dass es in Nordrhein-Westfalen nicht mehr als 500 000
Arbeitslose gebe. Heute haben über 816 000 Menschen keinen Job. Das
von ihm regierte Bundesland fand sich außerdem im ersten Halbjahr
2002 in allen Ländervergleichen zum Wirtschaftswachstum am Schluss
der Rangliste, das Bruttoinlandsprodukt ging um ein Prozent zurück
und die Haushaltslage in NRW ist desaströs.
Auch sonst hatte
Clement während seiner Zeit in der Landesregierung, der er seit 1989
angehört, wenig vorzuzeigen. Angefangen bei dem mit großem Anspruch
gestarteten Privatsender Vox, als dessen Pate Clement gilt und der
heute nur noch Billigserien abspult, über das Medienprojekt »High
Definition Oberhausen«, in dem Hunderttausende Euro an Landesmitteln
versickerten und mit dem sich wegen der vermuteten Veruntreuung von
Steuergeldern seit 1998 zwei Untersuchungsausschüsse des Landtags
befassten, bis zum Magnetschwebezug Metrorapid - immer wieder hatte
und hat der gelernte Jurist ein Händchen für Unternehmungen, die
scheitern oder zu scheitern drohen.
Zum Verhängnis wird
Clement dabei neben seiner Ungeduld auch sein Hang zum vermeintlich »großen
Wurf«. Erst einmal von einer Idee überzeugt, prescht er vor,
beratungsresistent und ohne Rücksicht auf den richtigen Zeitpunkt,
geschweige denn auf die eigene Partei oder den kleineren
Koalitionspartner.
So erreicht er nur
wenig und trifft dafür häufig Fehlentscheidungen. So wollte er als
frisch vereidigter Ministerpräsident Mitte des Jahres 1998 das
kleinste Landeskabinett der Republik schaffen und alle möglichen
Bereiche zu »Superministerien« zusammenführen, auch das Innen- mit
dem Justizministerium. Der Verstoß gegen die Gewaltenteilung wurde
ein halbes Jahr später höchstrichterlich gestoppt.
Auch wenn sie wortreich
seinen Abgang beklagen, ist die Beförderung Clements ein Glücksfall
für die Sozialdemokraten an Rhein und Ruhr. So können sie vielleicht
noch die drohende Niederlage der Landespartei verhindern. Denn auch in
Wahlen ist Clement ein Verlierer. Bei seiner ersten Landtagswahl als
Ministerpräsident im Mai vor zwei Jahren kamen die Sozialdemokraten
ausgerechnet in ihrem Stammland nur noch auf verheerende 42,8 Prozent
der Stimmen. Ihr schlechtestes Ergebnis seit dem Jahr 1958. Auch bei
der Bundestagswahl bescherte er seiner Partei eine blamable
Stimmausbeute. Von 46,9 Prozent rutschte sie auf 43 Prozent.
Freuen können sich
auch die Grünen des Bundeslandes. Dass die rot-grüne Koalition in
NRW überhaupt bis heute hält, ist allein ihrer unerschöpflichen
Leidensfähigkeit und Selbstverleugnung zu verdanken. Denn am liebsten
hätte Clement nur mit sich selbst regiert. Da das nicht geht,
flirtete der gläubige Katholik, der unter Freunden die Zusammenarbeit
mit den Grünen auch schon mal als »eine Strafe Gottes« bezeichnete,
noch kurz vor der Bundestagswahl mit Jürgen Möllemanns FDP.
Allerdings werden all
jene, die ihn nicht vermissen, Clement vielleicht schneller
wiedersehen, als es ihm und ihnen lieb ist, als Zeugen eines
Untersuchungsausschusses. Seit einigen Wochen beschäftigt sich der
Landtag mit Vorwürfen wegen Filz und Vetternwirtschaft gegen den
designierten »Superminister«. Es geht um die Auftragsvergabe von
zwei landeseigenen Gesellschaften an einen Freund Clements. Er soll für
seine Tätigkeit als »Strohmann« der Staatskanzlei bei der Anmietung
neuer Räume im Düsseldorfer Stadttor später »Dankeschön-Aufträge«
mit einem Gesamtvolumen von mehreren Millionen Euro bekommen haben.
Das behaupten
jedenfalls die CDU und die FDP. Außerdem soll auch noch der Verlobte
einer Tochter Clements mit Aufträgen ohne eine vorangegangene
Ausschreibung bedacht worden sein. Während die Landesregierung alle
Vorwürfe zurückweist und von einer »Kampagne« gegen Clement
spricht, prüft die CDU nun, ob sie einen Untersuchungsausschuss zur
Klärung der Vorwürfe beantragen will. Er würde dann auch »von
seinem Zitierrecht Gebrauch machen«, heißt es bereits von der Union.
So könnte der Grünenquäler
Clement in seinem neuen Amt nicht nur Fischer, Trittin & Co.,
sondern auch Schröder noch viel Freude bereiten.
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