08.04.2002

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taz

*   Bonner CDUler tief im Müllskandal
Von Pascal Beucker und Frank Überall

Kommunaler Multifunktionär Reiner Schreiber wird seine Ämter kaum behalten können: Er soll sich schmieren lassen haben dafür, dass er dem Anlagenbauer ABB Informationen über die Konkurrenz steckte. Heute tagt die Bonner Unionsfraktion.

Helmut Hergarten gibt sich zugeknöpft. Nur so viel will Bonns CDU-Chef verraten: "Ich werde heute noch eine Fülle von Telefonaten und Gesprächen führen." Kein Wunder, denn die Bonner CDU hat ein Problem. Heute könnte eine christdemokratische Karriere unrühmlich enden: die des Vorsitzenden der Ratsfraktion Reiner Schreiber.

Schreiber ist bislang ein mächtiger Mann in Bonn. Er ist Verwaltungsratsvorsitzender der dortigen Sparkasse, Aufsichtsratmitglied der Strukturfördergesellschaft, Mitglied des Koordinierungsausschusses Bonn-Ausgleich und auch des Aufsichtsrates City Parkraum GmbH. Noch. Heute Abend, so heißt es aus Parteikreisen, wird der 60-Jährige seinen Rücktritt vom Fraktionsvorsitz erklären und möglicherweise alle seine kommunalpolitischen Mandate abgeben. Endlich, sagen nicht wenige in der einstigen Bundeshauptstadt.

Seit Anfang 2001 ermittelt die Bonner Staatsanwaltschaft gegen den Strippenzieher wegen Bestechlichkeit. Es geht um die Vergabe von Millionenaufträgen zur Modernisierung eines Heizkraftwerks Mitte der Neunzigerjahre an die Firma ABB. Schreiber war seinerzeit Chef der Stadtwerke Bonn (SWB). Nach den Erkenntnissen der Ermittler wurde ABB, gegen deren Exmanager inzwischen Fahnder quer durch die Republik und in der Schweiz ermitteln, damals gegen Bares über die Angebote der Konkurrenz informiert und konnte so die Mitbewerber ausstechen.

Der Deal soll so funktioniert haben: Aus Bonn erfuhr der Manager der Schweizer Von Roll Inova Holding, René Lüthy, die genauen Angebote der ABB-Konkurrenz und gab diese telefonisch an einen Butzbacher ABB-Manager weiter, der informierte dann seinen Nürnberger Kollegen. Dieser konnte bei den Nachverhandlungen, die Schreiber mit ABB immer Tage später als mit den anderen Firmen führte, punkten. ABB bekam den Zuschlag und modernisierte für 68 Millionen Mark das Heizkraftwerk. Im Gegenzug gab’s Schmiergelder.

Die Bonner Staatsanwalt fand bei der Durchsuchung der Von-Roll-Räumlichkeiten Unterlagen über eine Zahlung des ABB-Konzerns in Höhe von einer Million Mark. Mit Von Roll, die 1992 die Bonner Müllverbrennungsanlage errichtet hatte, schloss Schreiber nach seinem Ausscheiden als SWB-Chef einen Beratervertrag ab. Die Staatsanwaltschaft hat nun den Verdacht, dass mit den ABB-Geldern Schreibers Beratervertrag gespeist wurde. Und nicht nur dieser. Zwei weitere Unternehmen, darunter die Schweizer Turicon, mit denen Schreiber Beraterverträge abgeschlossen hat, bekamen schon Besuch von den Ermittlern.

Schreiber ist nicht das einzige Problem, mit dem sich Bonns CDU beschäftigen muss. Da ist auch noch Christoph Brüse. Seinen angebotenen Rücktritt vom Vorsitz des Aufsichtsrates der städtischen Müllverwertungs GmbH (MVA) wird die Fraktion heute wohl ebenfalls dankbar annehmen. Denn Mitte März kam heraus, dass ausgerechnet Brüse jahrelang als Anwalt für den Bonner Unternehmer Detlev Klaudt tätig war. Dem gehört zusammen mit dem Müllmogul Trienekens die TK Umweltdienste, die mit 49 Prozent in die Bonner Müllverbrennungsanlage einsteigen will. Brüse habe "federführend und mit großem persönlichen Engagement den Verkauf an Trienekens und Klaudt vorangetrieben", sagt der grüne Fraktionssprecher Peter Finger. "Das ist genau der Sumpf der Vermischung von privaten und politischen Interessen, der letztlich zu Kölner Verhältnissen führt", so Finger. Oberbürgermeisterin Bärbel Dieckmann (SPD) hat das Privatisierungsverfahren inzwischen ausgesetzt.


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