17.05.2002

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taz

*   Klare Entscheidung für Karsli
Von Pascal Beucker

FDP-Kreisverband Recklinghausen nimmt den umstrittenen Abgeordneten mit Zweidrittelmehrheit auf.

Ihren Tagungsort hatten sie extra kurzfristig wegen "des aufgeheizten öffentlichen Diskussionsklimas" von einer Gaststätte in das Sitzungszimmer einer Versicherung verlegt , um ungestört beraten zu können. Bis in die späten Abendstunden diskutierten sie hier, dann stand die Entscheidung fest. Und sie fiel deutlich aus: Mit zehn gegen fünf Stimmen votierten die Mitglieder des Kreisvorstandes der FDP in Recklinghausen für die Aufnahme des ehemaligen Grünen Jamal Karsli in ihre Partei.

Damit hat sich NRW-Partei- und Fraktionschef Jürgen W. Möllemann, der dem umstrittenen Landtagsabgeordneten den Weg zu den Liberalen geebnet hatte, wieder einmal durchgesetzt. "Möllemann hat das Projekt 18 erst in die Wege geleitet", so ein Recklinghäuser Vorständler. Dafür seien ihm viele Mitglieder dankbar. "Sie wollen nicht, dass Möllemann durch die öffentliche Meinung und die Ansichten von Liberalen aus der Bundespolitik beschädigt wird." "Der Kreisverband hat entschieden, jetzt gehen alle an die Arbeit", erklärte gestern ein sichtlich zufriedener Möllemann. Mit der Parteiaufnahme sei Karsli nun auch endgültig ein ordentliches Mitglied der FDP-Landtagsfraktion und werde sich dort mit den Fragen Migration, Minderheiten und Petitionen befassen - den Bereichen, für die der 45-Jährige schon bei den Grünen zuständig war.

Immerhin - auch in der eigenen Partei verstummen nicht die kritischen Stimmen über den prominenten Neuzugang. "So ein Mensch hat in der FDP nichts verloren", sagte die stellvertretende FDP-Bundestagsfraktionsvorsitzende Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Die Entscheidung des Kreisverbandes sei "nicht in einem Ansatz" nachzuvollziehen. Wie sie forderte auch der frühere Bundesaußenminister Klaus Kinkel, dass der nordrhein-westfälische FDP-Landesvorstand schnellstmöglich den Beschluss seiner Untergliederung korrigiert.

Doch das wird er wohl nicht tun. "Die Entscheidung ist gefallen", sagte der Sprecher des Landesverbands, Michael Block. Trotzdem wird sich der Landesvorstand auf einer Sondersitzung mit dem Fall Karsli befassen. Dies vereinbarten der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle und Möllemann gestern bei einem Treffen in Berlin.

Westerwelle erklärte, Äußerungen von Karsli, in denen er unter anderem von einer allmächtigen "zionistischen Lobby" gesprochen hatte, seien "der Form und dem Inhalt nach nicht akzeptabel". Daher sei es "gut, dass der Landesvorstand sich mit den Äußerungen befassen wird".

Karsli unterdessen fühlt sich einfach missverstanden. In einem Brief an Möllemann, in dem er sich für seine Aufnahme bedankt, schreibt er, dass einige seiner Äußerungen zum Nahostkonflikt "in der deutschen Öffentlichkeit den Eindruck ermöglicht haben, ich übernähme die Ausdrucksweise von Antisemiten". Er sei jedoch kein Antisemit, sondern nur Kritiker der Politik der israelischen Regierung.

Das hatte er auch schon der Jungen Freiheit gesagt: "Ich bin weder antiisraelisch noch antijüdisch, noch antisemitisch", gab er dort zu Protokoll. Denn schließlich sei er Araber. "Wenn Sie wollen, ich bin auch ein Semit." Der FDP scheint diese lapidare Erklärung auszureichen.


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