18.05.2002

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taz

*   Freiheit oder Ausweisung
Von Pascal Beucker

Gespräche mit der Türkei über Islamisten Metin Kaplan entzweien rot-grüne Koalition.

Der Islamist Metin Kaplan wird möglicherweise schon Ende dieses Monats wieder als freier Mann in der Bundesrepublik leben. Ein Gerichtssprecher bestätigte der taz, dass der selbst ernannte "Kalif von Köln" einen Antrag auf vorzeitige Haftentlassung beim Düsseldorfer Oberlandesgericht (OLG) gestellt hat. Der zuständige 6. Strafsenat werde Kaplan am Donnerstag und Freitag kommender Woche anhören. Aus Justizkreisen hieß es, die Chancen für Kaplan stünden nicht schlecht. Die gegen ihn verhängte vierjährige Haftstrafe wegen eines Aufrufs zum Mord an einem Rivalen hätte er im März nächsten Jahres verbüßt.

Ein positives Votum könnte Bundesinnenminister Otto Schily in Bedrängnis bringen. Denn Schily hatte bereits aus Anlass des Verbotes von Kaplans "Kalifatsstaat" im Dezember vergangenen Jahres erklärt, den seit 1999 einsitzenden Islamisten direkt aus der Haft schnellstmöglich ausweisen zu wollen.

Das Innenministerium verhandelt seit Monaten mit der Türkei. Schily will eine verbindliche Zusage, die im Falle einer Abschiebung Gefahr für Leib und Leben ausschließt. Sein Ziel ist ein weit reichendes Regierungsabkommen mit Ankara, um den Weg für die Ausweisung Kaplans, aber auch anderer Türken frei zu machen. "Es hakt eindeutig auf der türkischen Seite", sagte der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Dieter Wiefelspütz, zur taz. Die Türkei müsse begreifen, dass, "wer nach Europa will, rechtsstaatliche Standards einzuhalten hat".

Die Grünen bezweifeln allerdings generell, dass es sinnvoll ist, weiterhin mit der Türkei über eine bilaterale Vereinbarung zu verhandeln. Ein Regierungsabkommen, so sagte der innenpolitische Sprecher der Fraktion, Cem Özdemir, "konterkariert geradezu die Bemühungen der EU, die Türkei zu mehr Rechtsstaatlichkeit zu drängen". Es sei zudem ein Unding, wenn das Innenministerium eine generelle Regelung für Abschiebungen in die Türkei anstrebe. Ein solcher "Türöffnervertrag mit Präzedenzcharakter" sei mit seiner Fraktion nicht zu machen.

Beim großen Koalitionspartner sorgen Özdemirs Aussagen für Unverständnis: "Die Gutmenschen von den Grünen haben ein Problem, weil sie ihre Klientel in der Flüchtlingsszene beglücken wollen", so SPD-Mann Wiefelspütz. Im Übrigen würden "alle vernünftigen Leute in Deutschland wollen, dass Kaplan abgeschoben wird".


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