25.05.2002

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taz

*   Polizisten sagen gegen Polizisten aus
Von Pascal Beucker und Sebastian Sedlmayr

Nach dem Tod des 31-jährigen Stephan N. ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen sechs Kölner Polizeibeamte.

Die sechs Verdächtigen sind suspendiert, die Augenzeugen ungewöhnlich: Ein Polizist und eine Polizistin meldeten ihren Vorgesetzten die Übergriffe mehrerer Kollegen. Die beiden hatten sich nach Beendigung ihres Spätdienstes noch in der Wache Eigelstein in der Kölner Innenstadt aufgehalten. Der 31-jährige Stephan N. war am 11. Mai festgenommen worden, weil er in seiner Wohnung randaliert haben soll. Plötzlich sei auf der Wache Unruhe entstanden, berichteten die Zeugen in ihrer schriftlichen Aussage gegenüber der Staatsanwaltschaft.

Der Wachdienstführer habe "Empfangskommando" gerufen. Man habe dann die Sirene eines herannahenden Streifenwagens gehört und kurze Zeit später Geräusche, die auf eine körperliche Auseinandersetzung hindeuteten. In der Sicherheitsschleuse habe kurze Zeit später auf dem Boden die an Händen und Füßen gefesselte Person gelegen, umstanden von fünf bis sechs Polizisten.

Der Zweizentnermann habe sich nicht rühren können. Die Beamten hätten auf die am Boden liegende Person eingetreten und -geschlagen und sie am Kopf, am Rumpf, an Armen und Beinen getroffen. Der Mann sei dann von zwei oder drei Beamten an den Füßen gepackt und unter Beschimpfungen und Schlägen durch den Flur in die Zelle geschleift worden. Er habe im Gesichtsbereich geblutet.

Auch in der Zelle sei Stephan N. noch von vier Beamten geschlagen und getreten worden. Die Tortur habe erst mit dem Eintreffen der Sanitäter geendet. Diese brachten den Mann mit dem Rettungswagen ins Krankenhaus. Nach Angaben der Kölner Polizei kollabierte Stephan N. dann bei einer später im Krankenhaus unter Zwang durchgeführten Blutprobe. Er fiel ins Koma, aus dem er nicht mehr erwachte. Die Ärzte stellten bei ihm einen Bluterguss im Gesicht fest, "ein deutlich geformtes, frisches Hämatom, nach Art eines Schuhsohlenabdruckes".

Die Wache am Eigelstein ist berüchtigt für eine rüde Behandlung von Festgenommenen. So soll einer der Verdächtigen, ein 28-jährige Polizeimeister, bereits zwölf Mal wegen Körperverletzung im Amt und Beleidigung angezeigt worden sein - doch mehr als eine Geldstrafe auf Bewährung im vergangenen Jahr wegen Beleidigung kam dabei nicht heraus. 324 Verfahren gegen Kölner Polizeibeamte, davon etwa die Hälfte gegen Mitarbeiter der Eigelstein-Wache, wurden in den vergangenen vier Jahren geführt. Davon wurden jedoch über 90 Prozent eingestellt - vielfach weil Aussage gegen Aussage stand.

Nun will Polizeipräsident Klaus Steffenhagen sämtliche Strafverfahren aus diesem Zeitabschnitt gegen Polizeibeamte überprüfen lassen. Der Leiter der Innenstadtinspektion, Jürgen Sengespeik, hatte am Donnerstag auf Druck Steffenhagens seinen Rücktritt erklärt.


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