15.06.2002

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taz

*   Schmerzhafte Klarheit
Von Pascal Beucker und Frank Überall

Kölner SPD ist geschockt über die Verhaftungen der eigenen Genossen im Spendenskandal. Wischnewski: "Ganz ernster Vorgang". Der nordrhein-westfälische SPD-Landeschef Schartau befürchtet Imageschäden für den Bundestagswahlkampf.

Kölns SPD-Chef Jochen Ott versuchte sich in Zweckoptimismus: "Auch wenn es wehtut, haben wir jetzt wieder etwas mehr Klarheit." Das sei wichtig für die Mitglieder an der Basis, "die doch auch hier in Köln einen engagierten Wahlkampf für Gerhard Schröder machen wollen."

Das dürfte allerdings nach den Verhaftungen des früheren parlamentarischen Geschäftsführers der SPD-Bundestagsfraktion, Karl Wienand, des Kölner Exfraktionschefs Norbert Rüther und des Müllkönigs Hellmut Trienekens nicht einfacher geworden sein. Denn sie dokumentierten eindringlich: Der Kölner Schmiergeld- und Spendenskandal ist für die SPD noch nicht erledigt - trotz aller Beschwörungen von Müntefering & Co.

Gerade die Verhaftung des einstigen Wehner-Vertrauten Wienand bringt die SPD in die Bredouille. Denn im Gegensatz zum ausgetretenen Rüther und dem CDU-Mitglied Trienekens ist er immer noch in der Partei. Nicht mal eine "Ehrenerklärung" hatte die Landes-SPD von ihm gefordert, nachdem Anfang März sein Name im Zusammenhang mit dem Müllskandal auftauchte. Nun ist die Partei geschockt.

"Wir haben alle nichts geahnt", sagte Hans-Jürgen Wischnewski. Die Verhaftung sei ein "Beweis für einen ganz ernsten Vorgang", so das SPD-Urgestein zur taz. Er habe allerdings " nie genau gewusst, was der da eigentlich macht", so der Exstaatsminister zur taz. Für die Bundes-SPD "ist die Sache, auch wenn es ein regionales Problem ist, eine unheimliche Belastung". Die Partei müsse "sich bemühen, alles aufzuklären. Sie kann allerdings nur einen Teil klären, der Rest ist Sache der Staatsanwaltschaft."

Nicht wenige Kölner Genossen befürchten, dass da noch einiges auf sie zukommen kann. Denn noch schweigen Wienand, Rüther und Trienekens, die in verschiedenen nordrhein-westfälischen Gefängnissen untergebracht wurden, zu den gegen sie erhobenen Vorwürfen. "Es hat kein Geständnis gegeben", bestätigte Oberstaatsanwältin Regine Appenrodt der taz.

Doch was ist, wenn sie auspacken? So wie der Exgeschäftsführer der Kölner Abfallentsorgungs- und Verwertungsgesellschaft (AVG), Ulrich Eisermann, und der Exmanager des Gummersbacher Anlagebauers Steinmüller, Sigfrid Michelfelder, die auch erst nach Monaten Untersuchungshaft Geständnisse ablegten und mit ihren Aussagen die jetzigen Verhaftungen veranlasst haben dürften. Gerät dann beispielsweise auch der frühere sozialdemokratische Oberstadtdirektor Lothar Ruschmeier, ein guter Freund Wienands, ins Visier? "Ich habe ihn in Erinnerung als einer derjenigen, die sich am vehementesten und engagiertesten für die Müllverbrennungsanlage eingesetzt haben. Dass der als einziger kein Dankeschön dafür bekommen haben soll, erscheint mir irgendwie nicht logisch", sagt bereits jetzt der Vizefraktionschef der Kölner Grünen, Jörg Frank. Und die grüne Fraktionschefin Barbara Moritz warnt: "Man soll jetzt nicht glauben, wenn der Fall Trienekens erledigt ist, könnte man zum Tagesgeschäft übergehen."

Moritz befürchtet, dass es neben der Korruptionsaffäre um den Bau der Müllverbrennungsanlage weitere illegale Einflussnahmen bei städtischen Großinvestitionen gegeben haben könnte. "Wir sind noch nicht am Ende der Fahnenstange", so Moritz. Sie fordert, dass nun auch auf kommunaler Ebene Untersuchungsausschüsse nach dem Vorbild entsprechender Gremien der Landtage und des Bundestages eingerichtet werden. Man wolle eine Initiative dazu einbringen, die nordrhein-westfälische Gemeindeordnung entsprechend zu ergänzen.

SPD-Landeschef Schartau fürchtet, dass es die SPD im Wahlkampf nun schwerer hat. "Ich glaube nicht, dass die Leute groß differenzieren, dass es eigentlich um illegale Aktionen von einigen wenigen geht, die nicht alle zwangsläufig mit der SPD zu tun haben", sagte Schartau. Mit denVerhaftungen habe die SPD-Korruptionsaffäre in Köln eine neue Dimension erreicht, sagte der Obmann der CDU/CSU-Bundestagsfraktion im Parteispendenuntersuchungsausschuss, Andreas Schmidt.


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