17.06.2002

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taz

*   Stiefel im Kölner Schmiergeldsumpf
Von Pascal Beucker und Frank Überall

SPD-General Müntefering beteuert weiter, dass die Partei mit dem Spenden-etc.-Skandal am Rhein nichts mehr zu tun habe. Staatsanwaltschaft betrachtet inzwischen auch den früheren Kölner Obergenossen Heugel als "Beschuldigten".

Die SPD-Spitze ist nervös. Hatte Generalsekretär Franz Müntefering vor Wochen bereits die Aufklärung des Kölner Schmiergeld- und Spendenskandals aus SPD-Sicht für erledigt erklärt, muss er nun wieder unangenehme Fragen beantworten. Ja, er begrüße es "ausdrücklich, dass die Staatsanwaltschaft in Köln Tempo macht". Nein, es gebe keine Erkenntnisse, dass "die Machenschaften von Müllunternehmer Hellmut Trienekens und Karl Wienand mit der Partei zu tun haben", beteuert er.

Das Verhalten Wienands bezeichnete er als "parteischädigend". "Wir werden sicher darüber zu reden haben, ob er Mitglied bleiben kann", so Müntefering. Ansonsten bleibe er dabei: "Was wir als SPD tun konnten, um Licht in die Angelegenheit zu bringen, haben wir getan."

Seit Ende vergangener Woche sitzen Wienand, Trienekens und der Kölner Ex-SPD-Fraktionschef Norbert Rüther wegen Flucht- und Verdunkelungsgefahr in U-Haft. Die Kölner Staatsanwaltschaft wirft ihnen Beihilfe zu Bestechlichkeit und Bestechung sowie Steuerhinterziehung vor. Sie geht davon aus, dass die Anlagenbaufirma Steinmüller bei der Auftragsvergabe und dem Bau der Kölner Müllverbrennungsanlage (MVA) Schmiergelder in Höhe von insgesamt 21,6 Millionen Mark gezahlt hat.

Davon soll Wienand, der sowohl für Steinmüller als auch den für Trienekens als Berater tätig war, 4,4 Millionen Mark erhalten haben. Außerdem soll Trienekens seinen Anteil von zwei Millionen Mark noch zusätzlich an den früheren parlamentarischen Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion weitergegeben haben. Auf Rüther sollen zwei Millionen Mark abgefallen sein. Laut Staatsanwaltschaft noch ungeklärt ist nur, ob er das Geld "ausschließlich für die Parteiarbeit oder auch zum eigenen Nutzen verwendet hat". Die Geldannahme bestreitet Rüther allerdings vehement.

In der Kölner SPD fragen sich unterdessen etliche Genossen, welche Rolle Rüther tatsächlich bei den Müllschmierereien gespielt hat. Mitte der 90er-Jahre war der Expsychiater schließlich noch keine große Politnummer. "Als Fraktionsgeschäftsführer war er sicher derjenige, der sich um das Alltagsgeschäft kümmern musste", beschreibt ein Parteimitglied: "Politisch hatte er aber kaum etwas zu sagen." Sein Chef war damals Klaus Heugel, der 1999 wegen illegaler Aktien-Insidergeschäfte seinen Hut nehmen musste. Gerade beim Großprojekt MVA soll Heugel sich blind auf seinen Adlatus verlassen haben? Auch die Staatsanwaltschaft hat da offenbar ihre Zweifel. Sie will Heugel demnächst erneut vorladen. Laut Oberstaatsanwältin Regine Appenrodt wird er "als Beschuldigter betrachtet".


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