10.07.2002

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taz

*   Korrumpel mit Berliner Ausbildung
Von Pascal Beucker

Hans Kremendahl, Wuppertaler Oberbürgermeister, weist alle Rücktrittsgerüchte und -gelüste weiter von sich.

Das Büfett war opulent, die Stimmung in der Villa des Wülfrather Bauunternehmers Uwe Clees ausgelassen. Irgendwann rief einer, man könne doch einen "Freundeskreis Hans Kremendahl" gründen. Eine grandiose Idee, fanden die Anwesenden inklusive Kremendahl. Clees war begeistert. "Da machen wir nicht Kreisklasse, sondern Bundesliga", tönte er im Herbst 1998.

Und Clees machte sein Versprechen wahr: Phänomenal großzügig sponserte der Christdemokrat den Oberbürgermeisterwahlkampf des Sozialdemokraten Kremendahl. Der Rechenschaftsbericht der Bundes-SPD für 1999 verzeichnete Clees als Spender von 250.000 Mark. Und Clees gab noch mal die gleiche Summe drauf - ließ sie allerdings einer anderen Firma und zwei Freunden zurechnen. Kremendahl gewann in der Stichwahl mit 58,2 Prozent gegen seinen Kontrahenten von der CDU.

Inzwischen steht der strahlende Sieger von damals vor dem Zwangsabstieg. Bereits Mitte März wurden seine Büroräume im Rathaus und seine Privatwohnung durchsucht, die Ermittlungsakte umfasst mittlerweile 32 Ordner. Nun hat die Staatsanwaltschaft Klage eingereicht: Vorteilnahme wirft sie dem 53-Jährigen vor. Die Großzügigkeit von Clees sei in Erwartung einer für ihn "wirtschaftlich vorteilhaften Unterstützung" durch Kremendahl erfolgt.

Kremendahl ein Korrumpel? Ein bitterer Vorwurf, denn bisher galt der Doktor der Staatswissenschaften, der 1976 über die "Pluralismustheorie in Deutschland" promoviert hat, als der Inbegriff eines Saubermanns. 1996 erstmalig zum Oberbürgermeister seiner Geburtsstadt Wuppertal gewählt, versprach Kremendahl seinerzeit, den Korruptionssumpf rund um das Rathaus trockenzulegen, wo er "ein kaum vermutetes Maß an krimineller Energie und Skrupellosigkeit, an Geldgier, aber auch an ausgeklügelten Netzen von Korruption" ausgemacht hatte. Als Prävention gegen die Zahlung von Schmiergeldern an Beamte durch die Baubranche richtete er ein bundesweit einmaliges und viel beachtetes "Anti-Korruptions-Referat" ein. "Ohne Ansehen von Person und Status" wollte er den Augiasstall ausmisten.

Und nun soll es ihn selbst erwischt haben? Eigentlich nicht denkbar, schließlich hat Kremendahl sein politisches Handwerk dort gelernt, wo man Übung in der Vertuschung von Bauskandalen hat: in Berlin. In der Frontstadt-SPD machte er Karriere: Von 1981 bis 1989 Mitglied des Abgeordnetenhauses, von 1985 bis 1989 SPD-Landesgeschäftsführer, dann bis zu seiner Rückkehr nach Wuppertal 1996 Staatssekretär in verschiedenen Senatsverwaltungen. So einer gibt nicht so schnell auf. Seit Monaten klingt es aus dem Sozi mit dem Charme eines Feudels wie von einer Schallplatte mit Sprung: "Ich war, ich bin, ich werde nicht käuflich sein."

Auch gestern trotzte Kremendahl erneut allen Rücktrittsgelüsten: "Ich habe mir nichts vorzuwerfen." Er sehe sich nach Lektüre der 49 Seiten starken Anklageschrift sogar noch bestärkt, im Amt zu bleiben. In der SPD indes wächst der Unmut über den renitenten Kommunalpolitiker, der zunehmend als Wahlkampfbelastung gesehen wird. Am Samstag will der SPD-Landesvorstand über das weitere Vorgehen entscheiden. So oder so: Seine Tage als Oberbürgermeister sind gezählt.


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