03.08.2002

Startseite
taz

*   Keiner wills gewesen sein
Von Pascal Beucker, Ulrike Herrmann und Heide Platen

Wer ist für den Verstoß gegen den Datenschutz verantwortlich? Bund der Steuerzahler, "Bild" und Lufthansa schieben sich gegenseitig die Schuld zu.

Es war eine Überraschung. In der ARD-Magazinsendung "Kontraste" erzählte der Vizepräsident des Bundes der Steuerzahler ganz offenherzig, sein Lobbyverband verfüge über eine Liste der Abgeordneten, die mit dienstlichen Bonusmeilen privat geflogen seien. Und Dieter Lau sagte auch: "Das Problem war natürlich, dass wir einen starken Partner brauchten. Dass es nicht nur Pressemitteilungen sein sollten." Gemeint war anscheinend, dass man eine Medienpartnerschaft mit Bild eingehen wollte. Es klang, als hätten die selbst ernannten Hüter der deutschen Steuermoral offensiv Geheiminformationen vermarktet. Das war am Donnerstagabend.

Gestern, einen Tag später, war der Vizepräsident dann deutlich vorsichtiger. Plötzlich wirkte sein Verband nur noch wie eine Briefkastenfirma, die geschützte Daten zwar "erhält", aber weder beschafft noch weitergibt. Das ist wichtig für die Frage, ob der Bund der Steuerzahler eine Ordnungswidrigkeit begangen hat oder nicht.

Die offizielle Version lautet jetzt also: Ein Unbekannter habe sich im letzten Herbst gemeldet. Normalerweise werfe man anonyme Informationen "in den Papierkorb", so Lau. Doch die Bonusmeilen von Abgeordneten seien längst Thema gewesen, die vereinseigene Zeitschrift "Der Steuerzahler" habe schon im September 1997 über den möglichen Missbrauch berichtet.

Aufgrund der anonymen Informationen habe man im letzten Herbst elf Fragen an die Bundestagsverwaltung geschickt. "Das können wir bestätigen", hieß es dort. Die schriftliche Antwort: Es gebe "keine Erkenntnisse", dass Abgeordnete privat mit dienstlichen Bonusmeilen flögen. Diese "abwiegelnde" Reaktion hat den Steuerzahlerbund nach seiner Darstellung enttäuscht. Aber Bild will man trotzdem nicht informiert haben. Der Verband konstatiert eine Parallelität der Ereignisse: "Im Rahmen der üblichen Pressekontakte gab es auch Gespräche mit der Redaktion der Bild-Zeitung, bei denen deutlich wurde, dass es auch dort Hinweise auf den Missbrauch von Bonusmeilen gab." Inzwischen findet auch Lau, es könne der Eindruck entstehen, dass die Bild-Berichterstattung "ein bisschen einseitig ist". Schließlich seien ja "Politiker aller Parteien betroffen". Aber, so sei das nun mal, man habe auf Bild keinen Einfluss. Von einer "Liste" der sündigen Abgeordneten ist ebenfalls nicht mehr die Rede. "Ich wüsste nicht, wo ich die jetzt suchen sollte", sagte Lau gestern.

Vielleicht beim ehemaligen Mitarbeiter Axel Müller, der mit der Meilenaffäre betraut war? Er verließ just zum 1. August den Bund der Steuerzahler, um Wirtschaftsreferent der FDP-Fraktion in Nordrhein-Westfalen zu werden. Dort zeigte man sich gestern wenig gesprächig. Während sich Müller gar nicht äußern wollte, verkündete die parlamentarische Geschäftsführerin kurz angebunden, die Fraktion habe nichts mit der Meilenaffäre zu tun. Müller habe sich ganz regulär auf eine Anzeige in der FAZ beworben und die Zusage im April erhalten, so Marianne Thomann-Stahl.

Auch die Lufthansa konnte nicht mit weiteren Erkenntnissen dienen, woher die anonymen Informationen stammen. Ihr Sprecher Klaus Walther beteuerte gestern immer wieder: "Das System Lufthansa ist dicht." Eine hausinterne "Task Force" habe das überprüft. Etwa 3.500 bis 4.000 Mitarbeiter hätten weltweit Zugriff auf die Daten der Vielfliegerkunden. Trotz dieser stattlichen Zahl verbürgte sich Walther für alle. Der Datenschutz der Lufthansa entspreche "höchsten Sicherheitsstandards", jeder Eingriff werde registriert. Allerdings musste er einräumen, dass dies nicht für das bloße Lesen der Daten gilt. Trotzdem ist sich Walther sicher: "Bei uns hat sich niemand etwas zuschulden kommen lassen." Daher prüft Lufthansa immer noch, ob eine "Strafanzeige gegen unbekannt" sinnvoll sein könnte.

Parteirechtler Herbert von Arnim sieht die "Hauptverantwortung" allerdings woanders: bei der Bundestagsverwaltung. "Unter Eingeweihten waren die Mauscheleien der Abgeordneten mit den Bonusmeilen schon lange bekannt", sagte er der taz. "Es geht nicht, dass der Bundestagspräsident ständig an Regeln erinnert, sie aber nicht wirksam kontrolliert." Und von Arnim wundert sich, warum von den Abgeordneten nicht standardmäßig verlangt wurde, dass sie auf ihrer Reisekostenabrechnung auch die Zahl ihrer Bonusmeilen angeben.

Wolfgang Bosbach, innenpolitischer Sprecher der CDU, hat einen anderen Vorschlag: "Jeder Bundestagsabgeordnete sollte sofort eine Abtretungserklärung unterschreiben, die für die gesamte Dauer der Wahlperiode gilt." Sie würde dann der Lufthansa erlauben, die Bonusmeilen an die Bundestagsverwaltung zu melden.

Kanzlergattin Doris Schröder-Köpf warf Bild vor, aus der Bonusmeilenaffäre eine Kampagne gegen Rot-Grün zu machen. "Dass bei so vielen Bundestagsabgeordneten erst mal keiner von der Union, keiner von der FDP auftauchte, das finde ich einfach erstaunlich und im Übrigen auch unprofessionell." Korrekt wäre es nach Ansicht der Journalistin Schröder-Köpf gewesen, "die Ergebnisse zu sammeln" und dann abzudrucken. "Und nicht erst mal Rot-Grün und, wenn es keinen mehr interessiert, dann vielleicht jemanden von der Union nachzuschieben."

Der Chefreporter der Bild-Zeitung, Dirk Hoeren, wies die Vorwürfe gegen sein Blatt zurück: "Wir haben ganz großen Wert darauf gelegt, dass wir jeden Einzelfall sauber prüfen mit Fragen, die wir den Leuten zuschicken", sagte er dem Sender ORB. Die Informationen seien in der Reihenfolge veröffentlicht worden, in der der Zeitung Antworten zugegangen seien.


© Pascal Beucker. Alle Rechte an Inhalt, Gestaltung, Fotos liegen bei den Autoren. Direkte und indirekte Kopien, sowie die Verwendung von Text und Bild nur mit ausdrücklicher, schriftlicher Genehmigung der Autoren.