Der designierte
NRW-Landeschef Peer Steinbrück gilt als wirtschaftspolitischer
Modernisierer - und "Grünenfresser".
Mit einem solchen Glücksfall
hatte Peer Steinbrück nicht mehr rechnen dürfen. Insgeheim begann
sich der 55-Jährige bereits damit abzufinden, dass er nach der
Inthronisierung des Mülheimers Harald Schartau als SPD-Landeschef
keine reelle Chance mehr hatte, Wolfgang Clement als nordrhein-westfälischen
Ministerpräsidenten zu beerben. Im Zweifel für einen Einheimischen -
das war die bittere Pille gewesen, die schon der letzte Norddeutsche
schlucken musste, der auf den Chefsessel an Rhein und Ruhr schielte.
Durch die überraschende Berufung Clements nach Berlin bleibt dem
Hamburger Steinbrück nun das Schicksal des Flensburgers Klaus
Matthiesen erspart, der einst im Kampf der Kronprinzen Johannes Raus
gegen den Bochumer Noch-Amtsinhaber den Kürzeren gezogen hatte.
Ein Fischkopp als
Ministerpräsident? Es dürfte eine Zeit dauern, bis sich die
NRW-Sozis an den etwas nuschelnden norddeutschen Zungenschlag gewöhnt
haben werden. Aber auch für Steinbrück brechen harte Zeiten an. Denn
nun wird der knurrige Diplomvolkswirt nicht mehr vor den oft auch
bierseligen sozialdemokratischen Kungelrunden und
Unterbezirksstammtischen in den Kneipenhinterzimmern flüchten können.
Er wird sich den richtigen Stallgeruch zulegen müssen, den Genossen
an Rhein und Ruhr von ihrem Landesvater erwarten.
Allerdings ist Steinbrück
kein Neuling in NRW. Denn hier, genauer gesagt in Bonn, startete
bereits Mitte der 70er-Jahre seine politische Karriere. Zur Zeit der
sozial-liberalen Bundesregierung Helmut Schmidts war er von 1974 bis
1983 in diversen Bundesministerien tätig. 1986 holte ihn Rau als Büroleiter
in sein Ministerpräsidentenbüro. Aus dieser Zeit stammt sein enger
Kontakt zu Clement, der damals Chef der Staatskanzlei war. Mitte 1990
wechselte Steinbrück zurück in seine Heimatregion. In der
schleswig-holsteinischen Landesregierung war er unter anderem
Wirtschafts- und Verkehrsminister.
Bereits während seiner
Kieler Zeit erwarb sich Steinbrück seinen Ruf als "Grünenfresser",
den er auch nicht loswurde, nachdem ihn Clement 1998 ins gleiche
Ressort nach Düsseldorf holte. Als Wirtschaftsminister machte er
durch ein Projekt für außertarifliche Niedriglöhne von sich reden
und warnte den grünen Koalitionspartner vor einer
Verhinderungspolitik bei Großprojekten. Ganz offen spielte er dabei
auch immer wieder mit der Möglichkeit, anstelle von Rot-Grün eine
Koalition mit der FDP einzugehen. Es stelle sich die Frage,
"welche Zweckbündnisse insbesondere aus Sicht der SPD am
praktischsten sind", lautete sein Credo. Im Februar 2000 übernahm
der Vater von drei Kindern dann das Finanzressort, nachdem der
damalige Minister Hans Schleußer (SPD) über eine Falschaussage in
der Flugaffäre gestolpert war.
Steinbrück, dem es
nicht an Ironie fehlt, nimmt für sich selbst den "Mut zur Ungemütlichkeit"
in Anspruch. Was das bedeutet, hat er mit seinem rigorosen Sparkurs in
diesem Jahr gezeigt. Sein "Haushalt der Tränen" sorgte für
Demonstrationen empörter Studenten, Beamten und Gewerkschaften vor
dem Düsseldorfer Landtag.
Einen grundlegenden
Kurswechsel wird es mit ihm wohl nicht geben: Wie auch Clement gilt er
als "Modernisierer". Seine Maxime: Richtig ist, was der
Wirtschaft nützt.
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