19.10.2002

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taz

*   Keiner will das ominöse Konto gekannt haben 
Von Pascal Beucker

Je mehr Details über die Geldtransaktionen Möllemanns bekannt werden, desto dubioser wird die Rolle des FDP-Schatzmeisters in NRW.

Andreas Reichel fühlte sich nicht wohl in seiner Haut. Natürlich seien die Ergebnisse der Prüfung der Möllemann-Flyer-Finanzierung "Besorgnis erregend", sagte der nordrhein-westfälische FDP-Landesschatzmeister gestern in Düsseldorf. Aber es sei ein Gebot der "Rechtsstaatlichkeit und des menschlichen Anstandes", dass sich Jürgen W. Möllemann zu den "gravierenden" Vorwürfen äußern könne, bevor der "Stab über ihn gebrochen" werde.

Vorsichtige Worte für einen, der noch vor Tagen von einem "Vernichtungsfeldzug" und von einer "herbeigeredeten" Spendenaffäre schwadronierte, "für die die Faktenlage keinen Anlass gibt". Reichel, enger Vertrauter des erkrankten FDP-Landeschefs, weiß: Es wird eng, ganz eng - für Möllemann, für die NRW-FDP und für ihn. Noch allerdings will er von einem Rücktritt nichts wissen: "Es würde den Eindruck erwecken, Fehler gemacht zu haben", so Reichel.

"Bei der Aufklärung dieses Vorgangs gibt es objektiv keine Interessenunterschiede zwischen Bundes- und Landespartei", erklärte Reichel. Glaubwürdig wirkte er dabei jedoch nicht. Denn seine Auslassungen über die Affäre blieben weit hinter den Angaben Günter Rexrodts in Berlin zurück. So wollte Reichel, der am Morgen Möllemann telefonisch über den Sachstand informiert haben will, nicht einmal verraten, wie viel Geld sich zurzeit exakt auf Möllemanns ominösem "Wahlkampfsonderkonto" befindet. Zum einen könne er darüber keine Auskunft geben, weil auch noch in den letzten Tagen Spenden darauf eingegangen seien. Zum anderen wolle er die exakte Summe auch nicht nennen, weil schließlich noch ungeklärt sei, ob es sich hierbei um ein Privatkonto Möllemanns oder ein Parteikonto handele.

Diese "komplexe rechtliche Frage" hätte Reichel jedoch schon am 23. 9. klären können, als Möllemann den geschäftsführenden NRW-Landesvorstand über die Existenz des am 20. September eingerichteten Kontos unterrichtete. Aber keiner der Anwesenden soll nachgefragt haben, aus welchen Geldern sich dieses Konto speist. Es seien nur "kritische Bemerkungen in allgemeiner Form" geäußert worden, so Reichel.

Je mehr Details über die ominösen Geldtransaktionen Möllemanns ans Tageslicht kommen, desto dubioser wird auch die Rolle Reichels und seiner Mitarbeiter. So will der Landesschatzmeister erst am letzten Donnerstagabend davon erfahren haben, dass eine Rechnung der Post über 838.000 Euro für die Hauswurfsendung des umstrittenen Anti-Friedman-Flyers bereits am 16. 9. bei der FDP eingetroffen ist - pünktlich zum Beginn der Verteilaktion. Ohne ihn zu informieren, habe der Landesgeschäftsführer Hans-Joachim Kuhl die Rechnung einfach umgehend an Möllemann weitergeschickt, erklärte Reichel. Das Vertrauensverhältnis zu Kuhl sieht er trotzdem nicht als belastet an.

Dabei könnten dessen Aktivitäten die Liberalen noch weiter in die Bredouille bringen. Denn möglicherweise wurden bereits beim Landtagswahlkampf 2000 Gelder verschleiert und zerstückelt in die Partei geschleust. Der taz liegt eine Quittung vor, die die Bundespartei einer Rentnerin im April 2000 für eine Spende an die FDP-NRW ausstellte. Die 88-jährige Frau beteuert jedoch, noch nie in ihrem Leben einer Partei Geld gespendet zu haben, und schon gar nicht der FDP. Diesen Vorgang könne er "noch weniger beurteilen", sagte Reichel. Seinerzeit sei er noch kein Landesschatzmeister gewesen. Das war damals Hans-Joachim Kuhl.


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