31.10.2002

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taz

*   Die FDP voller Fehler 
Von Pascal Beucker und Lukas Wallraff

Westerwelle-Mitarbeiter sollen Warnung vor Möllemanns Flugblatt für sich behalten haben. Kritik auch an Flach. Illegale NRW-Finanzen schon 2000?

Mindestens eine Warnung gab es, die sogar an FDP-Chef Guido Westerwelle persönlich adressiert war. Ein liberaler Kommunalpolitiker aus Nordrhein-Westfalen hatte am 6. September auf einer Veranstaltung in Neuss gehört, wie Jürgen Möllemann über seine geplante Flugblattaktion sprach. Aufgeschreckt schickte er ein Fax an seinen Bundesvorsitzenden, das am 9. September in der Berliner Parteizentrale ankam. Doch "der Brief ist mir selbst nicht vorgelegt worden", sagte Westerwelle gestern bei einer eilends einberufenen Pressekonferenz in Berlin.

Den Brief habe man erst jetzt wiedergefunden, nachdem der "aufmerksame Parteifreund" noch einmal nachgefragt habe, warum er nie eine Antwort erhalten habe. Westerwelle bleibt bei seiner Version, er sei über das antisemitische Flugblatt Möllemanns erstmals am 16. September informiert worden, als es bereits von der Post verteilt wurde.

Ausgerechnet zwei Mitarbeiter der "Abteilung Strategie" in der FDP-Zentrale sollen es gewesen sein, die es nicht für nötig hielten, die Warnung aus Nordrhein-Westfalen an ihren Chef weiterzugeben, obwohl darin eindeutig von bevorstehenden Aktionen Möllemanns gegen Michel Friedman und Ariel Scharon die Rede war. Dafür müssen die beiden Mitarbeiter jetzt büßen und ihre Ämter abgeben. Entlassen wurden sie aber nicht, stellte Westerwelle klar.

Die Spendenaffäre der nordrhein-westfälischen FDP zieht unterdessen immer weitere Kreise. Neben den laut Bundesschatzmeister Günter Rexrodt "merkwürdigen" Bewegungen auf dem FDP-Landeskonto in NRW in den letzten Wochen soll es bereits vor zwei Jahren gesetzwidrige Vorgänge gegeben haben. Rexrodt dehnte den Auftrag für die interne Finanzprüfung jetzt auf den Zeitraum mindestens seit dem Jahr 2000 aus. Anlass ist ein Bericht der Berliner Zeitung, wonach "hochrangige Mitglieder der NRW-FDP" dem Blatt bestätigt hätten, schon damals habe es finanzielle Unregelmäßigkeiten gegeben. Aus nicht näher benannten Quellen stammende höhere Geldbeträge seien gestückelt und per Bareinzahlung bei Geldinstituten zur Finanzierung zusätzlicher Wahlkampfaktivitäten verfügbar gemacht worden.

"Wir sind zurzeit in einem Großprüfverfahren", sagte die designierte NRW-FDP-Chefin Ulrike Flach der taz. Sie sei "von Tag zu Tag neu unangenehm überrascht". Inzwischen überlegt der geschäftsführende Landesvorstand, ob er nicht den bisher für den 10. November geplanten Landesparteitag verschieben soll. Ein entsprechender Antrag des FDP-Kreisverbandes Bielefeld liegt bereits vor. Der FDP-Vorstand will aber erst noch die nächsten Tage abwarten. "Bis Ende der Woche werden wir entscheiden, ob wir auch für eine Verschiebung sind", so Flach.

Flach selbst gerät immer mehr in die Kritik. FDP-Fraktionschef Wolfgang Gerhardt warf ihr "Fehler" vor, weil sie nicht energisch gegen Möllemanns Flugblattpläne protestiert habe.


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