29.11.2002

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taz

*   Möllemann multipel verdächtig 
Von Pascal Beucker

Trotz Fernseh-Charme-Offensive: Nur noch sein Freund Kubicki meldet Zweifel am Parteiausschluss Möllemanns an. Inzwischen wurden mehrere Ermittlungsverfahren eingeleitet. NRW-Grüne: Auch FDP-Ortsverbände hatten 1999 merkwürdig viel Geld.

Der leise Anflug von Selbstkritik bei seinen ersten öffentlichen Auftritten hat Jürgen W. Möllemann nichts gebracht. Die FDP-Spitze hält an der Forderung nach seinem Ausschluss fest. Auch FDP-Bundestagsfraktionschef Wolfgang Gerhardt und die hessische FDP-Landesvorsitzende Ruth Wagner bekräftigten gestern die Notwendigkeit, das Kapitel Möllemann zu beenden. Gerhardt meinte, eine eigene Partei, die Möllemann nach einem Ausschluss aus der FDP gründen könnte, habe keine Zukunft. Nur Möllemanns alter Vertrauter Wolfgang Kubicki hält weiter zu ihm. Der schleswig-holsteinische FDP-Fraktionschef warf der Bundespartei vor, ihr Krisenmanagement sei nicht sehr intelligent und sie bekomme "ein Riesenproblem", wenn Möllemann kein strafrechtlich relevantes Verhalten nachweisbar sei. Allerdings leitete die Staatsanwaltschaft Münster gestern offiziell Ermittlungen gegen Möllemann wegen des Verdachts auf Steuerhinterziehung ein. Ein Verfahren wegen Verstoßes gegen das Parteiengesetz ist in Düsseldorf anhängig.

Von seinem spanischen Ferienhaus aus, wo er sich zurzeit aufhalten soll, wird auch Hans-Joachim Kuhl mit großem Interesse Möllemanns Auftritte verfolgt haben. Besonders dessen Ausführungen zu den Finanzmanipulationen der NRW-FDP in den Jahren 1999 und 2000 dürften die Aufmerksamkeit des fristlos entlassenen FDP-Landesgeschäftsführers erregt haben: Möllemann will erst Mittwoch erstmalig davon gehört haben. Bisher sei er davon ausgegangen, dass alles korrekt war. Außerdem betonte Möllemann: "Ich bin nicht Schatzmeister gewesen, sondern Landesvorsitzender." Das war deutlich: Kuhl soll den alleinigen Sündenbock geben.

Für den Ex-Brandmeister der Krefelder Berufsfeuerwehr wird es immer enger. Schon jetzt ermittelt die Staatsanwaltschaft Düsseldorf gegen ihn, weil er im September und Oktober für seinen damaligen Chef die 980.000 Euro zur Finanzierung des Anti-Friedman-Flyers gestückelt und unter diversen falschen Namen auf dessen "Wahlkampfsonderkonto" und ein Konto der Landespartei eingezahlt hat. Nun droht ihm das nächste Verfahren: Bei ihren jetzt eingeleiteten Ermittlungen gegen unbekannt wegen des Verdachts der Untreue zum Nachteil der FDP und des Betrugs zu Lasten der Allgemeinheit aufgrund der Vorkommnisse 1999 und 2000 werden die Düsseldorfer Staatsanwälte unweigerlich auf den seinerzeitigen Schatzmeister stoßen: auf Kuhl.

Dabei könnte es für ihn noch viel dicker kommen. Denn Rexrodts in dieser Woche vorgelegter Prüfbericht erhellt nur einen Teil der damaligen Ungereimtheiten. Der FDP-Bundesschatzmeister hat für 1999 und 2000 nur die Finanzen des Landesverbandes prüfen lassen, nicht jedoch die der Bezirks-, Kreis- und Ortsverbände. Den Grünen im Düsseldorfer Landtag ist nun aufgefallen, dass gerade Letztere in der fraglichen Zeit einen deutlichen Zuwachs an Privatspenden hatten. So seien allein im Kommunalwahljahr 1999 etwa 3,7 Millionen Mark an Bezirks und Kreisverbände gegangen - beinahe zehnmal so viel wie auf das Konto der Landespartei. Insgesamt kamen nach NRW 1999 4,11 Millionen und 2000 4,44 Millionen Mark - ein enormer Sprung gegenüber den 2,64 Millionen Mark Spenden von 1998.


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