10.01.2002

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taz

*   Walskens Spardebakel
Von Pascal Beucker

SPD-Landtagsfraktionsvize hat mit seiner Kritik an den Grünen, sie blockierten sozialdemokratisch geforderten sozialen Kahlschlag, ein Eigentor geschossen.

Für Irritationen in der rot-grünen Koalition sorgen Äußerungen des stellvertretenden SPD-Landtagsfraktionsvorsitzenden Ernst-Martin Walsken. Seine Kritik am angeblich fehlenden Sparwillen des kleinen Koalitionspartners hat nicht nur den Grünen die gute Neujahrsstimmung verhagelt. Auch in der SPD-Fraktion regt sich Unmut über ihren finanzpolitischen Sprecher.

Walsken hatte im Kölner Stadt-Anzeiger und gegenüber der Nachrichtenagentur dpa die Grünen für das vermeintliche Scheitern der neunköpfigen rot-grünen Sparkommission aus Mitgliedern beider Fraktionen und der Landesregierung verantwortlich gemacht - und gleichzeitig unfreiwillig seine eigene Partei als verhinderten Sozialkahlschläger dargestellt. Das Ergebnis der Kommission - statt dem angestrebten Ziel von rund 1,5 Milliarden Euro umfassen die vereinbarten mittelfristigen Einsparungen nur 128 Millionen Euro - sei deswegen nur "relativ bescheiden" ausgefallen, trompetete der Solinger Abgeordnete. Der Grund: Die Grünen hätten sich besonders gegen Kürzungen im sozialen Bereich gesperrt.. Beispiele hierfür seien erwogene Streichungen von Fördermitteln für Familien in besonderen Problemlagen, bei der Schulmilchförderung, sowie bei der Aids- und Altenhilfe. "Sparen mit den Grünen ist keine leichte Aufgabe", seufzte Walsken öffentlich auf und forderte, die Grünen müssten sich von "einigen Lieblingsprojekten" ihrer Klientel verabschieden.

Die Opposition nahm den von Walsken hingeworfenen Ball umgehend und dankbar auf: Der Schlussbericht nach einjähriger Kommissionsarbeit sei ein "erbärmliches Zeugnis" und Beleg für eine "unsolide Finanzpolitik von Rot-Grün", wetterte CDU-Generalsekretär Herbert Reul. FDP-Fraktionsvize Stefan Grüll sprach gar von einem dramatischen Beweis vollständiger politischer Lähmung der Landesregierung.

Die Grünen sind kräftig verärgert über die unerwartete Attacke aus den Reihen des Koalitionspartners. "Wir können ja mal aufrechnen, wer hier wirklich blockiert hat", poltert es aus der grünen Fraktion. Die grüne Haushaltsexpertin Edith Müller schimpft: "Es ist absurd, uns mangelnden Sparwillen vorzuwerfen." Neben Finanzminister Peer Steinbrück seien es schließlich die Grünen gewesen, die Sparvorschläge eingereicht hätten. Aus der SPD-Fraktion hingegen sei nichts gekommen. Auch fragt die Kölnerin, welchen Sinn es machen soll, zwar 3,6 Millionen Euro bei der Aids-Hilfe kürzen, aber sich beispielsweise nicht an die Streichung der Sonderzuweisung der 13. Monatspension für Beamte heranwagen zu wollen, die das Zigfache an Einsparung erbringen könnte. "Wir wollen, dass die Landesregierung eine Initiative einleitet, damit das Bundesrecht entsprechend geändert wird", erläutert Müller. Insgesamt hätten die grünen Vorschläge ein Volumen von über zwei Milliarden Euro gehabt. Richtig sei allerdings, "dass wir die Vorschläge abgelehnt haben, die zu unvertretbaren Eingriffen in die sozialpolitische Förderlandschaft des Landes geführt hätten".

Auch bei der SPD haben die Äußerungen Walskens für gehörige Verstimmung gesorgt. Denn mit seinem Alleingang habe er nicht nur die Grünen, sondern die gesamte Koalition in ein schlechtes Licht gerückt. Seine Äußerungen seien "schon fahrlässig dumm", heißt es aus Fraktionskreisen. "Wie kann der nur Rüttgers und Möllemann eine solche Steilvorlage geben und die Arbeit der Sparkommission runterputzen?", fragen sich nicht wenige Abgeordnete. Außerdem habe er der Fraktion einen Bärendienst erwiesen, indem er die Grünen als Bewahrer von Sozialstandards und die Sozialdemokraten als Sozialstaatsabbauer habe erscheinen lassen.

Nun wird in der sozialdemokratischen Fraktion darüber gerätselt, was Walsken bei seiner Attacke gegen die Grünen geritten hat. Er habe den Grünen eins auswischen wollen, weil deren Minister Michael Vesper ihn als neuen Direktor der Wohnungsbauförderungsanstalt (WFA) habe abblitzen lassen, mutmaßen einige. In der Tat gilt es im Landtag als offenes Geheimnis, dass Walsken schon seit längerem der Sinn nach einem besser dotierten Job steht, und er sich große Hoffnungen auf den des WFA-Direktors gemacht hatte. Was allerdings gegen diese Motivlage spricht: Auch SPD-Abgeordnete haben hinter den Kulissen kräftig mitgeschoben, dass er nicht auf diesen Posten kommt. Das dürfte auch Walsken nicht entgangen sein.

Andere haben eine simplere Erklärung für Walskens Ausfall: gesteigerter Geltungsdrang. Er habe es immer noch nicht verwunden, dass er bei der letzten Fraktionsvorstandswahl das schlechteste Ergebnis einheimste und nur knapp den Sprung in das Führungsgremium geschafft hat. Nun habe er sich gegen die Grünen profilieren wollen, um endlich auch einmal in der Öffentlichkeit punkten zu können.

SPD-Fraktionschef Edgar Moron möchte zur Zeit am liebsten erst gar nicht auf Walsken angesprochen werden. Intern heißt es, auch er sei "stinksauer" über die "Tollpatschigkeit" seines Stellvertreters. Gegenüber der taz lehnte er indes jeden Kommentar zu der ihm sichtlich unangenehmen Angelegenheit ab. Die Sparkommission sei doch Schnee von gestern, so Moron. Anstatt zurückzublicken, habe die Koalition sich jetzt um die Strukturen der zukünftigen Landeshaushalte zu kümmern, um ihren politischen Handlungsspielraum zu erhalten. Bei der problematischen Finanzsituation des Landes sei das schwierig genug, denn hier werde Rot-Grün um schmerzhafte Einschnitte nicht herum kommen. Gerade um die gemeinsam verabredeten Bildungsreformen finanziell abzusichern, reiche es nicht mehr, nur an kleinen Stellschrauben zu drehen. Die Grünen werden's gerne hören.


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