10.01.2002

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*   GLOSSE: Zwei Meter Kommi
Von Pascal Beucker

Wie lange hatten wir ergrauten Alternativen im Pott darauf warten müssen! In Berlin regieren die 68-er, Dany wirbelt im Europaparlament in Straßburg und der Chef der größten Kölner Zeitung hat sein Handwerk im Studentenverband der DKP erlernt. Und im Ruhrgebiet? Nichts, noppes - oder wie wir Internationalisten sagen würden: Niente! Trostlosigkeit aller Orten. Vor allen dort, wo die 28 Lokalausgaben der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ) erscheinen. Grotkamp und Schumann, die beiden Alten aus der WAZ-Muppets-Show, schalteten und walteten, wie es ihnen beliebte.

Doch jetzt wird alles anders. Endlich kommt einer, der einmal dort gestanden hat, "wo in der zweiten Hälfte der sechziger Jahre die Linken gegen die Wasserwerfer standen" (Süddeutsche Zeitung). Einer, der sich zwar nie eine blutige Nase, aber dafür eine Platzwunde am Kopf zuzog. Einer, dem Rudi Dutschke persönlich einen seiner berüchtigten gestreiften Pullover überlassen haben soll. Einer, der als Schulabbrecher in der SDAJ, der DKP-Parteijugend, also ganz nah am Proletariat war. Bodo Hombach ist zurück! Zum 1. Februar wird er Geschäftsführer der Essener WAZ-Mediengruppe. Wenn das nicht ein Grund zum Feiern ist.

Inzwischen ist der Bodo 49 Jahre alt - und wie viele Schlachten hat er schon für die gute Sache geschlagen! Als er seinen Posten als Sekretär der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Ende der 70-er Jahre räumte, hatte er den Laden so gut von idealistischen Wirrköpfen gesäubert, dass niemand mehr auf die Idee gekommen wäre, in ihm mehr als ein konterrevolutionäres Instrument der Systemintegration zu sehen. Als er seinen Job bei der NRW-SPD Johannes Raus Anfang der 90-er Jahre aufgab, stand die Partei der Luxemburg-Mörder vor dem verdienten finanziellen Ruin. Als er Schröders Mannschaft 1999 verließ, hatte er Lafontaine zur Strecke und die Regierung ins Stimmungstief gebracht. Wer Illusionen über Rot-Grün hatte - Hombach hat sie gründlich ausgetrieben. Wann hat je zuvor ein Revolutionär so eindrucksvoll die Institutionen des bürgerlichen Staates unterwandert, um sie zu demaskieren? Nicht einmal sein Mülheimer Häuschen baute der Zwei-Zentner-Kommunist, ohne dabei gleichzeitig noch einen fiesen kapitalistischen Wohnungsbaukonzern in Verruf zu bringen.

Nun nimmt sich Balkan-Bodo, den wirklich nur böse Zungen einen "Zeitgeist-Seismographen" (stern) nennen, den WAZ-Konzern vor. Wir Alternativen können jubeln: Das Ende des unseligen Zeitungsimperiums im Revier naht! Denn Hombach schafft es, dass sogar die WAZ rote Zahlen schreiben lernt. Ja, er wird es schaffen! Und der Sozialismus wird doch noch siegen. Dank Bodo. Danke, Bodo. Venceremos!


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