21.02.2002

Startseite
taz

*   Ärzte gegen Krach am Nachthimmel
Von Pascal Beucker

Fluglärm macht krank. Das Glauben Patienten. Und Ärzte wissen es. Deshalb fordert die "Ärzteinitiative für einen ungestörten Schlaf Rhein-Sieg" ein Nachtflugverbot am Köln-Bonner Flughafen. SPD-Mediziner Norbert Rüther will davon nichts wissen.

Die Antworten sind eindeutig: 88 Prozent der Befragten bejahen die Frage, ob sie sich von Fluglärm beeinträchtigt fühlen, 81 Prozent sehen einen Zusammenhang zwischen gesundheitlichen Beschwerden und dem Krach der Maschinen. Besonders Schlafstörungen, Depressionen, Herz-Kreislauf-Probleme und Bluthochdruck bringen die Interviewten mit dem Fluglärm in Verbindung.

Zwei Drittel der befragten Eltern glauben, dass bestimmte Probleme bei ihren Kindern mit nächtlichem Fluglärm zusammenhängen: Lernstörungen, Nervosität, Konzentrationsschwäche, Angstzustände und Allergien. 1.121 Patienten haben 25 Allgemeinmediziner und Fachärzte von Juli bis Ende Dezember 2001 zur Nachtfluglärmbelastung im Umkreis des Köln-Bonner Flughafens befragt. Die "Ärzteinitiative für ungestörten Schlaf Rhein-Sieg" stellte jetzt die Ergebnisse bei einer eigens zu diesem Zweck veranstalteten Tagung vor. Die Patientenbefragung bestätigt die Notwendigkeit eines Nachtflugverbots für den Köln-Bonner Airport, finden die Mediziner.

Die Initiative versteht die Befragung nicht als wissenschaftliche Studie. Vielmehr wollen die Mediziner mit der Erhebung ihrer Forderung nach umfassenden Forschungsprojekten über die Folgen der Lärmbelastung vor Ort Nachdruck verleihen. Zwar untersucht das Deutsche Zentrum für Luft- und Raum- fahrt in Köln-Porz derzeit die Auswirkungen nächtlichen Fluglärms auf die Gesundheit. Aber die Wissenschaftler lassen nur gesunde Personen in ihre Labore. Das Forschungsprojekt ignoriert die Folgen des allnächtlichen Radaus für alte Menschen, Kranke und Kinder, kritisieren die Ärzte.

Deshalb haben sie für ihre Befragung einen anderen Fokus gewählt. "Wir haben uns bewusst auf Ältere und Kranke konzentriert", erklärte der Troisdorfer Arzt Hans-Friedrich Döring. Denn gerade diese Gruppen leiden nach den Erfahrungen der Ärzte besonders unter nächtlichem Fluglärm.

Neben der Befragung werteten die Ärzte auch die Langzeit-EKGs von 50 Patienten aus. "In 32 Fällen zeigten die Ergebnisse in den für Nachtfluglärm typischen Zeiten von 22 Uhr bis sechs Uhr Auffälligkeiten", berichtete Döring. Herzfrequenz-Erhöhungen, außerhalb des regulären Grundrhythmus auftretende Herzschläge und andere gesundheitliche Unregelmäßigkeiten stellten die Ärzte fest. "Unsere Beobachtungen zeigen, dass es die Möglichkeit der Objektivierung der subjektiv empfundenen Störungen gibt", sagte der Dermatologe Döring. Er und vier weitere Kollegen gründeten im April vergangenen Jahres die "Ärzteinitiative für einen ungestörten Schlaf Rhein-Sieg". Inzwischen gehören ihr rund sechzig Mediziner an.

Die immer wieder vorgebrachten ökonomischen Argumente für den Nachtflugverkehr wollen die Doktoren nicht gelten lassen. 2Die dürfen uns als Ärzte nicht interessieren", so Döring. Es gehe schließlich um die Gesundheit der Anwohner in der Einflugschneise des Flughafens im Kölner Süden und im Rhein-Sieg-Kreis. Und die ist nach seiner Auffassung und der seiner Mitstreiter durch die startenden und landenden Flugzeuge akut gefährdet.

Derzeit kommen und gehen auf dem Köln-Bonner Flughafen nachts bis zu 150 Maschinen. Nach den Plänen der Flughafenbetreiber soll in den nächsten Jahren die Frequenz auf bis zu 200 Frachter steigen. Für die Ärzteinitiative ein Skandal. Sie fordert nun ein Mitspracherecht. "An den Entscheidungen über den Flughafen müssen Ärzte beteiligt sein, die sich mit dem Thema Fluglärm eingehend beschäftigt haben"2, verlangen sie. Die Ärzteinitiative fordert, dass ihre Vertreter in den Gremien vertreten sind, die über die Zukunft des Flughafens entscheiden

Diese Forderung stößt allerdings bei einem Kollegen auf Granit: dem Psychiater Norbert Rüther. Der sozialdemokratische Fraktionschef im Kölner Rat und Landtagsabgeordnete ist Aufsichtsratsvorsitzender des Flughafens. Er betrachtet den Nachtflugverkehr als unverzichtbaren Wirtschaftsfaktor für die Region und möchte ihn ausbauen. Der Flughafen unternehme "enorme Anstrengungen" um den "berechtigten Interessen der Anlieger gerecht zu werden und unvermeidlichen Fluglärm beträchtlich zu reduzieren". Von dem Engagement seiner Kollegen hält Rüther allerdings überhaupt nichts.

An dem Siegburger Symposium der Ärzteinitiative hat er nicht teilgenommen. Er würde den Flughafenkritikern "nicht nachlaufen". Schließlich hätten die Ärzte schon vor längerer Zeit Gesprächsangebote der Flughafengeschäftsführung ausgeschlagen und auch keinen Repräsentanten des Flughafens zu der Veranstaltung eingeladen. 2Die sind nicht dialogfähig und außerdem unseriös", sagte Rüther zur taz. So sei die Patientenbefragung der Initiative "in höchstem Maße suggestiv und manipulativ". Denn: "Nach der Art der Fragestellung könnte der bloße Anblick eines Flugzeuges ausreichen, um Ursache für Allergien zu werden." Seine Einschätzung teilte er auch dem Präsidenten der Bundesärztekammer, Jörg-Dietrich Hoppe, schriftlich mit. Damit Hoppe, der auch Präsident der Ärztekammer Nordrhein ist, "die Stoßrichtung der Veranstaltung richtig einschätzen" könne. Im Gegensatz zu Rüther war er nach Siegburg gekommen.

Hoppe reagierte diplomatisch. Auf dem Symposium begrüßte er zwar ausdrücklich den Einsatz der Ärzte und mahnte, dass die medizinischen Folgen des nächtlichen Flugverkehrs berücksichtigt werden müssten. Aber auch die ökonomischen Aspekte dürften nicht außer acht gelassen werden, sagte Hoppe. Die Ärztekammer sei gerne bereit, zwischen den Nachtflugbefürwortern und -gegnern zu vermitteln.

"Wir werden jetzt mit der Ärztekammer in Dialog treten", erklärte Rüther. An eine Verständigung mit den Kollegen aus dem Rhein-Sieg-Kreis glaubt er indes nicht. Die wollen jetzt im Umweltausschuss der Ärztekammer dafür kämpfen, dass sich die Kammer ihre Forderung nach einem Nachtflugverbot zu eigen macht. Sollten sie ihr Ziel erreichen, könnte die Luft für die Verfechter des Nachtflugverkehrs dünner werden. Denn wenn die Ärzteschaft aus Sorge um die Gesundheit der immerhin 400.000 betroffenen Anwohner ein Start- und Landeverbot für den Köln-Bonner Airport fordert, könnten die wirtschaftlichen Argumente für den Nachtflugverkehr an Gewicht verlieren.


© Pascal Beucker. Alle Rechte an Inhalt, Gestaltung, Fotos liegen beim Autor. Direkte und indirekte Kopien, sowie die Verwendung von Text und Bild nur mit ausdrücklicher, schriftlicher Genehmigung des Autors.