25.04.2002

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taz

*   Konsequenter Schluss
Von Pascal Beucker

Jamal Karslis Übertritt zur FDP enthebt die grüne Landtagsfraktion der Pflicht, sich von ihm wegen seiner antisemitischen Tendenzen zu trennen.

Jamal KarsliAls einziger deutscher Abgeordneter, der aus einem arabischen Land stammt, sah sich der gebürtige Syrer Jamal Karsli als Mittler zwischen der Bundesrepublik und der arabischen Welt, in der er seine Wurzeln verortet. Eine „Brücke zwischen den Kulturen“ hatte er bauen wollen und beiderseitige Vorurteile beseitigen. Der von den Grünen jetzt zur FDP gewechselte Landtagsabgeordnete ist gescheitert – an sich und an den Verhältnissen.

Denn vor dem Hintergrund des Nahostkonflikts schaffte es Karsli nicht mehr, für sich ein Verständnis von der Universalität der Menschenrechte zu bewahren. Er maß zunehmend mit zweierlei Maß: Der 45-Jährige schwieg zu den arabischen Despotien im Nahen Osten, ließ sich sogar von Saddam Hussein zu einem „Solidaritätsflug“ nach Bagdad einladen. Dafür attackierte er in immer unerträglicheren Worten Israel. Von „Rassismus“, „Apartheidpolitik“ und „israelischem Staatsterror“ war da die Rede und von der „einzigen verbliebenen Besatzungsmacht der Welt“. Und immer wieder die Vergleiche mit dem nationalsozialistischen Deutschland: Israels Politik setzte „auf Terror und Gewalt zur Vernichtung der Palästinenser“ und hielte „jedem Vergleich mit anderen Terrorregimen der jüngeren Geschichte stand“, verkündete er auf einer Anti-Israel-Demonstration am 16. Februar in Bonn. Mitte März bezichtigte er wahrheitswidrig Israel der „Konzentration Tausender gefangener Palästinenser in großen Lagern, wo diesen Nummern in die Hand tätowiert werden“. Die Überschrift der Erklärung: „Israelische Armee wendet Nazi-Methoden an!“ Das American Jewish Committee in Berlin hatte ihm daraufhin vorgeworfen, seine Argumentation relativiere nicht nur die deutschen Verbrechen, sondern erkläre auch noch die Opfer zu Tätern.

Karslis Austrittserklärung ist hier ein konsequenter Schlusspunkt. In ihr fragt der Recklinghäuser, ob für Israel nicht mehr die Argumente gelten würden, „die Joschka Fischer für die deutsche Beteiligung an dem militärischen Einsatz in den Balkanländern gebracht hat“. Wer weiß, dass Karsli – im Gegensatz zu dem von ihm abgelehnten Eingreifen gegen die moslemischen Taliban und Al-Quaida in Afghanistan – vehement den Krieg gegen Jugoslawien unterstützte, der weiß, was mit dieser rhetorischen Frage gemeint ist: Karsli fordert zum Krieg gegen den jüdischen Staat auf. Schon auf der Bonner Demonstration hatte er erklärt: „Wenn man bedenkt, für welche vergleichsweise bedeutungslosen Taten andere Länder mit menschenrechtlich begründeter Militärgewalt des Westens rechnen müssen, bleibt einem unvoreingenommenen Beobachter nur Kopfschütteln für die verlogene Position westlicher Regierungen.“

Und die Grünen? Zu keiner einzigen öffentlichen Distanzierung ließen sie sich hinreißen – in der fatalen Hoffnung, es werde schon keiner merken, was der skurrile Hinterbänkler, der auch schon mal bei der islamistischen Milli Görüs auftrat, eigentlich treibt. So weigerte sich die Pressestelle der  Landtagsfraktion, Karslis Elaborate zu verschicken – das ließ er dann von seinem Mitarbeiter machen. Immerhin, wenn auch vergeblich, versuchte die Partei- und Fraktionsspitze der NRW-Grünen hinter den Kulissen, Karsli von seinem Amoklauf abzubringen. Besser wäre es allerdings gewesen, die Partei hätte einen klaren Schnitt gemacht und offen gesagt: Jemand der antisemitische Tendenzen befördert, gehört nicht mehr zu uns. Jetzt hat er den Schnitt gemacht. Bei Möllemann, dem deutschen Lobbyisten arabischer Diktaturen, ist Karsli gut aufgehoben.


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