16.05.2002

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taz

*   Dem Morgenrot entgegen
Von Pascal Beucker und Frank Überall

Am 22. Mai wollen sich Partei und Fraktion aus dem Spendensumpf ziehen. Die Wahl von Martin Börschel zum neuen SPD-Fraktionschef gilt als sicher.

Jochen Ott (SPD)Wenn sich die Kölner SPD am kommenden Mittwoch im Bezirksrathaus Chorweiler zu ihrem Parteitag trifft, wollen die gebeutelten Genossen demonstrativ nach vorne schauen. "Das wird zumindest ein vorläufiger Abschluss der bisherigen Affäre", hofft der Kölner SPD-Chef Jochen Ott im Gespräch mit der taz.

Gewagte Worte, denn das jetzt bekannt gewordene 24-seitige Vernehmungsprotokoll des Ex-SPD-Fraktionschefs Norbert Rüther bringt die Partei erneut kräftig in die Bredouille: Nicht nur 14 Spenden von neun Unternehmen, sondern 30 bis 35 so genannte "Danke-schön-Spenden" habe er empfangen, gab Rüther der Staatsanwaltschaft zu Protokoll. Damit dürfte auch die Summe, die über ihn zur SPD geflossen ist, weit höher als die bereits bekannten 830.000 Mark sein. Einen Teil der illegalen Spenden waren "Danksagungen" im Zusammenhang mit der Müllverbrennungsanlage - doch wofür gab es den Rest? Und: Wo ist das Geld geblieben? Bisher ist nur der Verbleib von 510.000 Mark rekonstruiert.

Dann gibt es da noch ein Problem: das Schwarzkassen-System der Fraktion, verteilt auf Festgelder, Inhaber-Schuldverschreibungen, ein Spar- und ein Girokonto. Dieses "Sondervermögen" soll zwischen 600.000 und 700.000 Mark umfasst haben. Nach Gutdünken wurde davon Geld in bar entnommen - und verschwand. So sehr sich ein von der SPD angeheuerter Wirtschaftsprüfer auch bemüht hat, für wohl mehrere Zehntausend Mark ließ sich kein Verwendungsnachweis mehr finden. Wo ist das Geld geblieben - und wer wusste von dem System? Trotz gegenteiliger Bekundungen ist immer noch vieles nicht aufgeklärt.

Trotzdem gibt sich Ott optimistisch: "Wir wollen einen klaren Blick nach vorn werfen und daran arbeiten, wieder politikfähig zu werden." Nach fast dreimonatiger Abwesenheit melde sich die SPD in Köln wieder zurück. So will denn auch die Ratsfraktion wenige Stunden vor dem Parteitag die ersten Weichen für einen Neuanfang stellen. Es gilt inzwischen als sicher, dass der 28-jährige Parteikassierer Martin Börschel den Chefsessel erklimmt. Zur Zeit verhandelt er zwar noch über "seine Bedingungen", doch wenn er antritt, ist ihm eine Mehrheit sicher. Ungeklärt ist hingegen noch das politische Schicksal der angeschlagenen Fraktionsgeschäftsführerin Marlis Herterich. Und noch weitere Wahlen stehen an: Denn nachdem die Kölner Genossen am 7. März unter dem lähmenden Eindruck des Rüther-Rücktritts ihren Parteitag hatten ausfallen lassen, zwingt die Bundes-SPD sie nun, neue Delegierte für die übergeordneten Gremien zu wählen. Auch hier wird ein Generationswechsel erwartet.

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