05.09.2002

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taz

*   Heimatabend mit Helmut
Von Pascal Beucker

Auf dem Alter Markt demonstrierten die Kölner Christdemokraten ihren kölschen Genossen, wie mit einem Spendenskandal richtig umgegangen wird: Der Gesetzesbrecher wird gefeiert.

Helmut KohlDie Kölner Sozialdemokraten haben einfach nur die kölsche Mentalität noch nicht begriffen. Immer noch sorgt bei ihnen ihr Spendenskandal für schlechte Stimmung, grämen sie sich, beim illegalen Reibach machen erwischt worden zu sein, und laufen Parteiordnungsverfahren gegen verdiente Korrumpel. Warum nur?

Am Dienstagabend demonstrierten die Kölner Christdemokraten auf dem Alter Markt, wie man es richtig macht: Den Gesetzesbruch als Chance begreifen - Gesetzesbrecher in die Bütt, lautete ihr Motto. Rund 4.000 Kölnerinnen und Kölner jubelten ihnen und ihrem Stargast dafür begeistert zu: Helmut Kohl.

Der bediente vortrefflich: In seiner unnachahmlichen Art unterhielt der große Spendensammler eine Stunde lang sein Publikum mit Schmonzes aus dem Kalten Krieg, beschwor die kommunistische Gefahr, die in Gestalt der PDS und mit Hilfe von Rot-Grün den eisernen Vorhang über Deutschland fallen lassen will, geißelte die Gewerkschaften und dankte dem Papst für seinen unermüdlichen Kampf gegen das rote Übel.

Zwar verkniff sich Kohl diesmal Vergleiche demokratischer Politiker mit den Heroen seiner HJ-Jugend, dafür erinnerte er gerührt an die "Trümmerfrauen", beschwor Familienwerte und warb für Ede Stoiber als neuem Bundeskanzler. Begeisterte "Helmut, Helmut"-Rufe waren der Dank. Denn Helmut vereint: Die Clearasil-Jungs vom "Junge-Union-Stoiber-Team" klatschten ebenso frenetisch Beifall wie die Damen zwischen 50 und 70, denen die Nähe zu ihrem Idol Gefühle zu bescheren schien, wie sie sie wohl zuletzt bei Peter Kraus und Tony Marshall vor langer Zeit erleben durften. Und am Schluss intonierten alle gemeinsam und sichtlich ergriffen das "Lied der Deutschen".

Nur am Rande und von der Fangemeinde durch ein Gitter und fehlende Einlasskarten getrennt, krakeelten einige Jugendliche gegen den zuvor von Oberbürgermeister Fritz Schramma persönlich begrüßten und von den Trienekens-Spezies Egbert Bischoff und Rolf Bietmann umrahmten "Kanzler der deutschen Einheit". Die Rufe dieser Unverbesserlichen seien ein "Produkt von mehr als dreißig Jahren Gesamtschule in Nordrhein-Westfalen", beschied Kölns CDU-Chef Richard Blömer unter großem Beifall.

In der Tat haben die wenigen dutzend Protestierenden immer noch nicht gelernt, wie in Köln die Zeichen der Zeit stehen. Während sie "in ihrem pubertären Wahn" (Kohl) lautstark Auskunft über die anonymen Spender von dem gutgelaunten Ex-Staatsmann begehrten, ist Köln schon längst weiter: Legal, illegal, scheißegal - der Wahlspruch der "No Future"-Generation Anfang der 80-er Jahre ist hegemoniefähig geworden.

Was lehrt uns das? Vor allem, wenn wir Sozialdemokraten wären? Als erstes sollte Nobbi Rüther aus dem Knast. Nicht, weil er weniger auf dem Kerbholz hat als Helmut Kohl. Auch nicht, weil er gerade Geburtstag hatte. Der wahre Grund: Wer könnte ein besserer Wahlkämpfer für Gerhard Schröder sein? Langweiler wie Martin Dörmann, Lale Akgün oder Rolf Mützenich, die noch nicht einmal mit einer anständigen Unterschlagung für ihre Partei werben können?

Nein, in dieser schweren Zeit sind Genossen gefragt, die auch ordentlich einstecken können. Männer wie Rüther. Oder, noch besser, wie Karl Wienand. Im Gegensatz zu dem Ex-SPD-Ratsfraktionschef hat Wienand bislang keine genaueren Angaben über seine kriminellen Machenschaften gemacht. Genau wie Helmut Kohl. Außerdem sitzt er nicht wie Rüther im Knast. Nicht mehr. Wienand wäre also prädestiniert dafür, zusammen mit Schröder auf der SPD-Wahlkampfveranstaltung am kommenden Montag Köln zu gewinnen. Die CDU hat es vorgemacht: Dreistigkeit siegt.


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