10.10.2002

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taz

*   Parteitag ignoriert Datenaffäre
Von Pascal Beucker und Frank Überall

Mit "Bürgerfreiheit und Solidarität" will die CDU in Köln mehr Stimmen fangen. Mit welchen Methoden, darüber spricht sie nicht. Dabei beschäftigen die schon den Landtag.

Es war ein Abend der großen Worte. "Bürgerfreiheit und Solidarität" laute weiter das Programm der Kölner Christdemokraten, verkündete Ratsfraktionschef Rolf Bietmann. Und Parteichef Richard Blömer trompetete auf dem CDU-Kreisparteitag am Dienstagabend: "Mit dem heutigen Tag hat der Kommunalwahlkampf begonnen." Offensiv solle auf die Kölner zugegangen werden. Ob die Domstadt-Konservativen dabei weiterhin auf fragwürdige Methoden der Wähleransprache setzen werden, dazu schwiegen sie sich aus: Über ihre Datenschutzaffäre verloren sie kein Wort.

Dabei ist der Erklärungsbedarf immer noch groß. Das WDR-Politikmagazin "Monitor" hatte aufgedeckt, dass die CDU in Köln sowie auch in anderen Städten und Bundesländern im Bundestagswahlkampf ein Softwareprogramm eingesetzt hat, mit dem Wählergruppen unter anderem nach Alter, Ausbildung, sozialem Standard, Familiensituation und Pkw-Klasse ausgewählt werden können (taz berichtete). Das streng vertrauliche und nur an ausgewählte Parteifunktionäre auf einer CD ausgegebene Programm errechnet auch die individuelle Wahrscheinlichkeit, die Union zu wählen. Mit Hilfe dieser Wählerprofile bereitete die CDU individuelle Hausbesuche und Telefonaktionen vor. Während die CDU beteuert, alle Daten rechtmäßig erworben und verwendet zu haben, halten Datenschutzexperten den Einsatz eines solchen Programms für illegal. Sie bezeichneten die "CDU-Rom" als "Skandal".

Eine Sprecherin der Landesdatenschutzbeauftragten Bettina Sokol bestätigte jetzt, dass ihre Behörde derzeit Ermittlungen gegen die CDU, die Kölner Stadtverwaltung und das Bonner Meinungsforschungsinstitut dimap führe, das die Software entwickelt und an die CDU verkauft hat. Es werde untersucht, ob ein Missbrauch von "personenscharfen Daten" vorliege. Der Verdacht: Die Kölner CDU könnte sich bei der Verwaltung mit einem Trick ein komplettes Wählerverzeichnis erschlichen haben. Das steht den Parteien eigentlich nicht zur Verfügung. Bei so genannten Gruppenanfragen erhalten sie lediglich Datenmaterial für die spezielle Ansprache von Jungwählern oder Senioren. Aus der Stadtverwaltung heißt es jedoch, die Union habe sich über Datenanfragen für alle Altersgruppen Zug um Zug das komplette Verzeichnis beschafft. Zudem darf nach dem Gesetz das abgefragte Datenmaterial nur einmalig für Wahlwerbezwecke verwendet werden. Eine elektronische Verarbeitung ist nicht erlaubt.

Besonders die Berechnung einer "Wahlchance" zugunsten der CDU sei höchst problematisch, meinen Datenschützer. So setzt nach Ansicht von Thilo Weichert, dem Vorsitzenden des Bundesverbandes für den Datenschutz, die Speicherung von politischen Einschätzungen das ausdrückliche Einverständnis der Betroffenen voraus.

Die Partei verteidigt sich freilich, dass solche Praktiken bei Wirtschaftsunternehmen legal und üblich seien. Im übrigen habe man das Programm ja auch schon erfolgreich bei der vergangenen Kommunal- und Landtagswahl eingesetzt, brüstete sich CDU-Chef Blömer. Einer genaueren Überprüfung versuchen sich Union als auch dimap allerdings bislang mit dem Argument zu entziehen, sie hätten alle Daten nach der Bundestagswahl aus "Datenschutzgründen" vernichtet.

Nun ist die Affäre auch Thema im Landtag. Der SPD-Innenpolitiker Hans Krings stellte bereits dazu eine mündliche Anfrage. Sobald deren Antwort vorliegt, wollen die Kölner SPD-Abgeordneten nachlegen - mit einer Kleinen Anfrage an die Landesregierung. Im November wird sich dann der Innenausschuss auf Antrag der Grünen erneut mit dem Thema beschäftigen. Gegenüber der taz warf der SPD-Landesparlamentarier Stephan Gatter der CDU vor, sie betreibe "politische Rasterfahndung".

Auch Gatter ist übrigens auf der "CDU-Rom" erfasst. Bei ihm, so spuckte das Computerprogramm aus, liege die Wahrscheinlichkeit für eine Wahlentscheidung zugunsten der CDU bei 37 Prozent.


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