24.10.2002

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taz

*   Das Schweigen des Lautsprechers
Von Pascal Beucker

Trotz FDP-Ultimatum wird Jürgen W. Möllemann heute nicht seine geheimen Gönner nennen.

Jürgen W. MöllemannHeute um 12 Uhr läuft das Ultimatum ab, das die FDP Jürgen W. Möllemann gesetzt hat. Doch insgeheim sind sich die Spitzen der Ex-Spaßpartei unsicher: Wollen sie wirklich die Hintergründe und die realen Spender jener rund 840.000 Euro auf seinem „Wahlkampfsonderkonto“ offenbart bekommen? Oder wäre es nicht besser, ihre Ex-Stimmungskanone behielte sein Geheimnis für sich?

Denn während der gefallene FDP-Star in kurzen Hosen und auf Adiletten in Gran Canaria die Sonne genießt, wächst in der FDP-Landeszentrale im verregneten Düsseldorf die Angst vor unangenehmen Enthüllungen: Gab es noch weitere „Zuwendungen“ aus dunklen Kanälen – möglicherweise seit Jahren? Und was ist mit Mitwissern? Hat Möllemann vielleicht nur leicht variiert ein Akquirierungsmodell fortgeführt, mit dem bis in die frühen achtziger Jahre der NRW-Landesverband illegale Spenden in die Parteikasse schleuste und bei der auch seinerzeit schon Spendernamen erfunden wurden, um die Geldflüsse zu verschleiern? Damals reichten die Schwarzgeldlinien von der Schweiz bis nach Miami. Reichen sie heute von Tripolis bis nach Abu Dhabi?

Noch gibt es nicht mehr als Spekulationen und Gerüchte. So berichtet Hans Leyendecker in der Süddeutschen Zeitung von einer Quelle, „die sich in anderen Fällen als verlässlich erwies“ und die behauptet, die Gesamtsumme sei im September aus Tripolis überwiesen und dann gestückelt worden.

Auch wenn diese Möglichkeit abenteuerlich klingt, denkbar ist sie schon. Immerhin unterhält Möllemann seit längerem gute Kontakte nach Libyen. So führte er als Chef der Deutsch-Arabischen Gesellschaft beispielsweise Mitte Januar 2000 – vier Monate vor der Landtagswahl – eine Delegation von 50 deutschen Firmenvertretern in das nordafrikanische Land. Zudem hat sich Muammar al-Gaddafi auch schon in früheren Jahren um die Pflege der politischen Landschaft im deutschsprachigen Raum verdient gemacht: So sponserte der libysche Staatschef Anfang der 80-er Jahre in Österreich verdeckt die grün-alternative Zeitung MOZ. In jüngster Vergangenheit sorgten seine engen geschäftlichen Kontakte zum FPÖ-Frontmann Jörg Haider für Schlagzeilen.

Die BILD-Zeitung will hingegen aus „westlichen Geheimdienstkreisen“ erfahren haben, dass Möllemann in letzter Zeit ein eher schlechtes Verhältnis zu Gaddafi gehabt habe. Wahrscheinlicher sei daher, dass das Geld aus Saudi-Arabien oder den Vereinigten Arabischen Emiraten stamme.

Oder vielleicht von Saddam Hussein? In diese Richtung mutmaßt der Spiegel. So habe sich Mitte April ein Palästinenser mit deutschem Pass in der Berliner FDP-Zentrale gemeldet, um Spenden anzubieten. Von dort soll er an die NRW-Liberalen verwiesen worden sein. Der Mann unterstütze seit einigen Monaten die irakische Botschaft bei ihrer Pressearbeit, so der Spiegel. Allerdings bestreite er, der FDP oder Möllemann „auch nur einen Cent“ gespendet zu haben.

Unerschütterliche Möllemannianer hoffen indes immer noch, dass sich das „Jürgen Möllemann w Wahlkampf“-Konto bei der Düsseldorfer Lampe Bank vielleicht doch aus etwas weniger exotischen Quellen speiste: aus dem Privatvermögen Möllemanns. Doch warum wurde dann das Konto mit über 140 Bareinzahlungen gefüllt, deren Einzahlernamen augenscheinlich fingiert waren? Seine „Wahlkampfbeihilfen“ in Höhe von jeweils rund 5.000 Euro an zwei FDP-Bundestagskandidaten aus dem Münsterland wurden schließlich auch nicht bar übergeben, sondern „ordentlich“ von einem Konto Möllemanns überwiesen.

Wahrscheinlicher klingt da schon die Variante, dass dem FDP-Tausendsassa mal wieder ein guter Freund ausgeholfen hat: Rolf Wegener. Der zwielichtige millionenschwere Geschäftsmann, der sich auch im Rüstungsgeschäft blendend auskennt, ist mit Möllemann seit Jahren eng geschäftlich verbunden und half der chronisch klammen NRW-FDP schon einmal, 1996, über seine Düsseldorfer „Vermögens- und Verwaltungsgesellschaft Delphi“ mit einer 300.000 Mark-Spende aus. In einem Gebäude der Delphi residiert auch bis heute Möllemanns dubiose Düsseldorfer Firma WebTec, von deren offenbar ungedecktem Konto zunächst die Post erfolglos versucht hatte, ihre Versandgebühren für das Anti-Friedman-Flugblatt abzubuchen.

Nun halten sich in Düsseldorfer Landtagskreisen hartnäckig Gerüchte, ein Teil des Sonderkonto-Geldes könnte aus Gewinnen Wegeners an dem Millionen-Transfer des nigerianischen Fußballnationalstürmer Victor Agali in der vorigen Saison zu Schalke 04 stammen. Möllemann ist Aufsichtsrat in dem Ruhrgebietsverein.

Die Wahrheit kennt nur Jürgen W. Möllemann. Doch der einstige FDP-Lautsprecher wird wohl trotz Ultimatums weiterhin in dieser Frage das machen, was sich nicht wenige von ihm in anderen Fragen immer ersehnt hatten: einfach die Schnauze halten.


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