31.10.2002

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*   FDP hat wohl besser verdient
Von Pascal Beucker

Der NRW-Landesverband der Liberalen soll bereits im Landtagswahlkampf 2000 mit einem System der Spendenstückelung tatsächliche Geldgeber unkenntlich gemacht haben.

Die Hinweise verdichten sich, dass sich die nordrhein-westfälischen Liberalen auch schon vor Jürgen W. Möllemanns Anti-Friedman-Flyer ihre Aktivitäten nicht ganz sauber finanziert haben. So soll es bereits im Landtagswahlkampf 2000 zu erheblichen finanziellen Unregelmäßigkeiten gekommen sein. Laut Berliner Zeitung hätten das hochrangige Mitglieder der NRW-FDP bestätigt. Danach sollen aus nicht näher benannten Quellen stammende höhere Geldbeträge gestückelt und per Bareinzahlung bei Geldinstituten zur Finanzierung zusätzlicher Wahlkampfaktionen verfügbar gemacht worden sein. Dabei seien die Beteiligten allerdings erheblich sorgfältiger vorgegangen als bei der aktuellen Stückelung der Flugblattspenden, bei denen den angeblichen Geldgebern in der überwiegenden Zahl der Fälle nicht einmal eine fiktive Anschrift zuzuordnen ist, berichtet das Blatt.

Bislang umfasst die vom Landesvorstand angeordnete Revision der NRW-FDP-Finanzen nur die Jahre 2001 und 2002. Die Vize-Landeschefin Ulrike Flach erklärte dazu, das offizielle Rechenwerk der Partei für das Jahr 2000 sei geprüft und ordnungsgemäß testiert worden, ohne dass dabei Unregelmäßigkeiten aufgefallen seien. Trotzdem ist jetzt der Auftrag für die interne Finanzprüfung ausgeweitet worden. Auch das Landtagswahljahr solle nun ein Schwerpunkt sein, teilte Bundesschatzmeister Günter Rexrodt gestern in Berlin mit.

Auffällig ist, dass sich in den Jahren 1999 und 2000 die Spenden "natürlicher Personen" für die NRW-FDP im Vergleich zu den Vorjahren und im Gegensatz zu den anderen Landesverbänden dramatisch erhöhten: von 2,64 Millionen Mark 1998 auf 4,11 Millionen 1999 bzw. 4,44 Millionen Mark 2000 - erstaunlich für eine Partei, die bis zum Mai 2000 nicht einmal im Landtag vertreten war. Zum Vergleich: In ihrem Stammland Baden-Württemberg, wo die FDP seit etlichen Jahren Regierungspartei ist, erhielten die Liberalen 2000 nur 1,90 Millionen Mark. Und das war deutlich mehr, als alle anderen Landesverbände bekamen - außer eben NRW.

Den Großteil des Geldes will die Möllemann-Dependance dabei in einer jeweils nicht-veröffentlichungspflichtigen Höhe erhalten haben. Dazu könnte beispielsweise die angebliche Spende einer heute 88-jährigen Rentnerin gehören. Deren Spendenquittung, ausgestellt im Frühjahr 2000 für eine vermeintliche Spende an den NRW-Landesverband, liegt der taz vor. Das Problem: Die Duisburgerin, die mittlerweile in einem niedersächsischen Altenheim wohnt, beteuert hoch und heilig, noch nie in ihrem Leben der FDP Geld gespendet zu haben. Überwiesen hat sie das Geld auf jeden Fall nicht, wie eine Überprüfung ihrer Kontoauszüge ergab. Hat sie einfach vergessen, der FDP das Geld bar übergeben zu haben - oder bedienten sich vielleicht findige FDP-Finanzjongleure ihres Namens, um Schwarzgeld in die liberalen Kassen zu spülen?

Während die designierte Möllemann-Nachfolgerin Flach den Fall gegenüber der taz lapidar so kommentierte, es gäbe inzwischen einige Menschen, die nichts mehr davon wissen wollten, der FDP Geld gegeben zu haben, sagte Landesschatzmeister Reichel, er könne diesen Vorgang "noch weniger beurteilen" als die gegenwärtige Finanzaffäre um den Möllemann-Flyer. Schließlich sei er seinerzeit auch noch kein Schatzmeister gewesen. Doch so einfach werden es sich die beiden nicht machen können, die Angelegenheit könnte der Partei noch einigen Ärger bereiten. Denn die alte Frau beharrt darauf, zu Unrecht als FDP-Spenderin zu gelten. Ihr Sohn hat deswegen inzwischen im Namen seiner Mutter Anzeige bei den zuständigen Finanzbehörden erstattet.

Landesschatzmeister in der betreffenden Zeit war tatsächlich nicht der Möllemann-Vertraute Reichel. Allerdings auch nicht Irmgard Schwaetzer, ausgewiesene Intim-Feindin Möllemanns, die gegenüber der Berliner Zeitung bestritt, Kenntnis von eventuellen damaligen Unregelmäßigkeiten gehabt zu haben. Das ist Schwaetzer, die Möllemann einst als "intrigantes Schwein" titulierte, abzunehmen. Den Kassierer-Job übernahm sie erst zwei Monate vor der Landtagswahl.

Bis dahin hatte ihn - Hans-Joachim Kuhl. Ausgerechnet jener Intimus des großen Zampanos, den Flach & Co. Ende vergangener Woche wegen seiner aktiven Beteiligung an der Abwicklung des Möllemann-Flyer-Coups mit sofortiger Wirkung als Landesgeschäftsführer suspendierten, war von 1996 bis zum Frühjahr 2000 Schatzmeister der NRW-FDP. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.


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