05.12.2002

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taz

*   Steinkohle zurück unter Tage
Von Pascal Beucker und Sebastian Sedlmayer

Nach Grünen und FDP geht nun auch die CDU auf Distanz zu weiteren Subventionen des Steinkohleabbaus nach 2010. Auch Steinbrück hält sich alle Optionen offen.

Eine grundlegende Neuorientierung in der Steinkohlepolitik hat die CDU-Landtagsfraktion eingeleitet. Einstimmig billigte die Fraktion am Dienstag ein Drei-Punkte-Papier der Arbeitsgemeinschaft (AG) Wirtschaft gebilligt. Demnach will die Union zwar die Förderung der umstrittenen Steinkohle bis über 2005 hinaus sichern, beim Fördervolumen sei jedoch ab 2005 eine "deutliche Absenkung" geplant. Die Förderung des Steinkohlesockels nach 2010 sei noch "offen". Bis zur dritten Lesung des NRW-Haushalts am 18.12. soll eine endgültige Entscheidung herbeigeführt werden. Nach Angaben der AG Wirtschaft sollen jährlich 500 Millionen Euro Landesmittel eingespart werden. "Damit zeigen wir der Regierung, wo NRW sparen könnte", sagte CDU-Fraktionssprecher Norbert Neß der taz.

Parteiinterner Widerstand gegen die Pläne der CDU-Landtagsfraktion könnte aus der NRW-Landesgruppe im Bundestag drohen. Denn dort sitzen noch mächtige Fürsprecher der Steinkohleförderung. Der Bund subventioniert die NRW-Steinkohle mit rund 2,2 Milliarden Euro. "Wir diskutieren mit den Kollegen im Bundestag und in der Landtagsfraktion die Frage, wie es weitergeht mit den Kohlesubventionen", sagte dazu CDU-Landtagsfraktionschef Rüttgers. NRW sei "in einer Situation, in der die Frage nicht mehr steht, ob ich irgend jemandem wehtue, sondern wir brauchen einen Strukturumbau, sonst werden wir weiter zurückfallen im internationalen Vergleich."

Kritik kommt auch von der FDP: Deren Fraktionschef Ingo Wolf sieht in dem neuen Entwurf der Union vor allem "Anbandelungsversuche mit den Grünen". Die Vorstellungen der CDU gehen den Wirtschaftsliberalen nicht weit genug: Der CDU fehle "der Mut zur letzten Konsequenz", so Wolf. Die FDP will schon ab 2006 keine Fördermittel mehr für die Steinkohle.

Reiner Priggen, der energiepolitische Sprecher der grünen Fraktion, begrüßte hingegen das Umdenken der CDU. Schließlich sei es "überfällig, dass die Politik insgesamt zu einer zukunftstauglichen Lösung kommt", so Priggen. Seine Partei will die Steinkohleförderung bis 2010 komplett einstellen. Zu Spekulationen, die CDU wolle sich mit ihrer "Neuausrichtung" schwarz-grüne Koalitionsoptionen offen halten, sagte Priggen, sie nähere sich "nicht den Grünen, sondern der Realität an".

Das sieht die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IGBCE) ganz anders. Dramatische Kürzungen, wie sie nun auch von Teilen der CDU gefordert würden, verunmöglichten die Fortsetzung des geordneten Strukturwandels in den Steinkohlerevieren. "Dann würden Massenentlassungen im Bergbau unvermeidlich und auch die ohnehin gebeutelte Zulieferindustrie würde in nicht mehr beherrschbare Turbulenzen geraten", erklärten gestern IGBCE-Chef Hubertus Schmoldt und sein Stellvertreter Klaus Südhofer.

Diese Ansicht teilt bisher auch die SPD. Allerdings scheint auch sie langsam in Bewegung zu geraten. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger Wolfgang Clement erwähnte Ministerpräsident Peer Steinbrück in seiner Regierungserklärung nicht mehr den Wunsch nach einem "nationalen Kohlesockel".


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