12.12.2002

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*   Aktivisten hängen sich rein
Von Pascal Beucker, Nina Magoley und Sebastian Sedlmayr

Aktivisten hängen sich rein Das umstrittene "Flüchtlingsschiff" ist in Köln angekommen. Und wurde mit Protest empfangen: Menschenrechtler blockierten den Anlegeplatz. In Düsseldorf spitzt sich die Situation für Roma zu.

Es wird wohl ein frommer Wunsch bleiben: "Das Boot bleibt leer", hatten Aktivisten aus dem Umfeld der Initiative "kein mensch ist illegal" (kmii) auf eines ihrer Plakate geschrieben. Pünktlich zum Internationalen Tag der Menschenrechte erreichte am Dienstag das Containerschiff den Deutzer Hafen, auf dem die Stadt in der nächsten Zeit über 200 unerwünschte Flüchtlinge zur "Abschreckung" unterbringen will.

Dass allerdings diese Maßnahme der Inhumanität der schwarz-gelben Ratsmehrheit auch ganz handfest auf Widerstand in Köln stößt, demonstrierten die rund 40 kmii-Aktivisten: Immerhin sechs Stunden lang konnten sie verhindern, dass das Schiff, dessen ursprünglich für Ende November geplante Ankunft aus den Niederlanden sich wegen Hochwassers verzögert hatte, im Hafen anlegen konnte. Während eine Gruppe die Wohnbarke "enterte", seilte sich eine andere vom Ufer aus in Greenpeace-Manier zwischen Kaimauer und Schiff ab. Die Polizei musste Spezialeinsatzkräfte inklusive Schlauchboot anfordern, um die Protestaktion am späten Nachmittag zu beenden. "Die Aktivisten befanden sich in Lebensgefahr", so Polizeisprecher Wolfgang Schmidt. Über die gesamte Dauer der Aktion habe die Gefahr bestanden, dass sie zwischen dem Schiff und der Kaimauer erdrückt würden. Die völlig durchgefrorenen Demonstranten wurden in Gewahrsam genommen, nach ihrer Personalienfeststellung allerdings wieder freigelassen. Gegen sie wurde Strafanzeige wegen Hausfriedensbruch und Nötigung erstattet.

Laut dem Leiter der städtischen Wohnungsversorgungsbetriebe, Michael Schleicher, sollen auf dem Boot bis zu 230 Flüchtlinge Platz finden. Noch in dieser Woche solle mit der Belegung begonnen werden. "Zunächst müssen allerdings noch einige technische Probleme gelöst werden", sagte Schleicher der taz.

Der sozialpolitische Sprecher der grünen Ratsfraktion, Ossi Helling, bezeichnete es als "menschenunwürdig", so viele Menschen in weniger als 100 Kabinen unterbringen zu wollen. Er warf CDU und FDP vor, sie ignorierten "die zahlreichen anderen möglichen Varianten der Unterbringung". Auch die Kölner SPD-Bundestagsabgeordnete Lale Akgün forderte, die Pläne "endlich fallen zu lassen". An die Vorstände der Reederei Köln-Düsseldorfer und der städtischen Tochter Häfen und Güter Köln appellierte Akgün: "Setzen Sie nicht, auch im Interesse Ihrer Mitarbeiter und Kunden, wegen eines kleinen Zusatzauftrages den guten Ruf Ihres Unternehmens aufs Spiel."

Das neue Schiff liegt jetzt unmittelbar neben einer schon seit Jahren dort verankerten Schiffsunterkunft für Asylbewerber. "Allein dadurch ist erheblicher Zündstoff vorprogrammiert", befürchtet Claus-Ulrich Prölß vom Kölner Flüchtlingsrat. Schon der sehr unterschiedliche Status der Flüchtlinge auf den zwei Schiffen könne für Konflikte sorgen: Flüchtlinge im Asylverfahren hielten sich meist nur für kurze Zeit auf dem schwimmenden Provisorium auf, während die so genannten "illegal Eingereisten" - überwiegend Roma aus Ex-Jugoslawien - auf dem neuen Schiff ohne weiteres bis zu einem Jahr dort bleiben müssten. Außerdem seien auf dem alten Schiff Mitarbeiter sowohl des Sozialamts als auch der Diakonie fest beschäftigt. Die Flüchtlinge fänden dort eine konstante sozialpädagogische Betreuung. Die fehle hingegen auf dem zweiten Schiff.

Während sie in Köln nun zu unfreiwilligen Schiffspassagieren werden sollen, spitzt sich auch für die in Düsseldorf gegen ihre drohende Abschiebung protestierenden Roma die Lage zu. Sieben Monate nach Beginn ihrer Dauerdemo sind immer noch rund 100 von ursprünglich fast 700 Roma in ihrem Düsseldorfer Protestcamp - und ihre Zukunft bleibt ungewiss. Nach Gesprächen mit grünen Landtagsabgeordneten und dem stellvertretenden Ministerpräsidenten Michael Vesper hatten die Roma auf eine Aussetzung der Abschiebungen durch die Bundesinnenministerkonferenz (IMK) gehofft.

Die Innenminister machten auf ihrer Herbsttagung in Bremen Ende vergangener Woche allerdings nur minimale Zugeständnisse. So sollen zwar Roma-Familien mit Kindern unter 16 Jahren den Winter über nicht abgeschoben werden, eine generelle "Winterpause" bei Abschiebungen oder gar ein Bleiberecht für die Bürgerkriegsflüchtlinge soll es jedoch nicht geben. Roma-Sprecher Dzoni Sichelschmidt zeigte sich "zutiefst enttäuscht über die inhumane Entscheidung".

Das Camp in der Landeshauptstadt soll laut Sichelschmidt trotz der Kälte und sich häufender Ausweisungsbescheide fortgesetzt werden: "Wir haben nichts zu verlieren." Und: "Wir kämpfen weiter."


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