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09.09.2003

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*   Im Schatten des Verdachts 
Von Pascal Beucker

Kommentar zu Günter Wallraffs Kölner Auftritt in eigener Sache.

Es war ein Medienauftrieb wie er ihn lange nicht mehr erleben durfte: Ein überfüllter Raum, surrendes Blitzlichtgewitter, unzählige Fernsehkameras - und im Mittelpunkt stand Günter Wallraff. Diesmal als Aufklärer in eigener Sache. Doch viel konnte er gestern in Köln nicht aufklären. Wie hätte er auch? Wie hätte der heute 60-Jährige den eindeutigen Nachweis erbringen sollen, dass er nicht als Twen von 1968 bis 1971 als "IM Wagner" aktiv war? Wallraff kann zwar versichern, nicht wissentlich mit der Stasi zusammengearbeitet zu haben. Er kann auf Ungereimtheiten und Fehler in den sogenannten "Rosenholz"-Unterlagen verweisen. Er kann plausible Erklärungen für seine Besuche in der DDR und seine Treffen mit Stasi-Mitarbeitern liefern. Man kann den Ausführungen Wallraffs glauben schenken - oder auch nicht.

So wird der Streit um seine mögliche Stasi-Verstrickung weitergehen: Die Blätter des Springer-Konzerns werden weiter auf ihren Lieblingsfeind einprügeln - und diejenigen, die ihn immer schon wie einst Franz-Josef Strauß für einen "Untergrundkommunisten" hielten, werden seine Erklärungen als Schutzbehauptungen abtun. Bei anderen werden zumindest Zweifel bleiben.

Wallraff räumt heute selbstkritisch "Naivität und Leichtfertigkeit" bei seinen Kontakten zur DDR ein. Aber er beteuert hoch und heilig, nie für das MfS gearbeitet zu haben. Das beteuerten schon etliche vor ihm - bis sie dann doch überführt wurden. Allerdings liegt bei Wallraff der Fall etwas anders. Denn nachweisbar ist, dass die DDR ihn seit Mitte der 70-er Jahre abgeschrieben hatte. Und nicht nur das: Spätestens nachdem er 1976 den ausgebürgerten Wolf Biermann bei sich aufnahm, war Wallraff für sie vom Freund zum Feind mutiert. Entsprechend eindeutige Aussagen finden sich in den Akten von Stasi-Opfern, wie in der des inzwischen verstorbenen Schriftstellers Jürgen Fuchs. In dessen Akte kommt Wallraff als "operativ interessierende Person" vor, die zu bespitzeln und zurückzudrängen sei. Wenn auch aus anderen Gründen, dürfte der bundesdeutsche Verfassungsschutz diese Einschätzung übrigens uneingeschränkt geteilt haben.

Was auch immer die Reizfigur Wallraff Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre mit der Stasi gemacht oder nicht gemacht hat: So oder so lässt sich sein publizistisches und politisches Gesamtwerk nicht unter das Verdikt "Stasi-IM" stellen. Seine journalistischen Großtaten jedenfalls - wie die Bücher über seine Tätigkeit als Bild-Redakteur oder sein Gastarbeiterreport "Ganz unten" - lagen in der Zeit, als er längst mit der DDR gebrochen hatte. Und sie mit ihm.


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