Die derzeitige Krise
der Sozialdemokraten führt zu Spekulationen über schwarz-grüne Bündnisse.
Köln wird seit kurzem von einem regiert.
Im Moment ist Barbara
Moritz eine gefragte Frau. »Ich kann kaum mehr einkaufen gehen, ohne
auf das Bündnis mit der CDU angesprochen zu werden«, sagt die
Vorsitzende der Fraktion der Grünen im Kölner Rathaus. Dann spricht
die 51jährige Lehrerin geduldig von der »Notgemeinschaft«, die ihre
Partei mit den Christdemokraten eingegangen sei, vom finanziellen
Desaster der Stadt und von der dringend notwendigen
Haushaltskonsolidierung. Dabei vermeidet sie jeglichen euphorischen
Ton: »Für uns kommen jetzt harte Zeiten.«
Seit dem Dienstag der
vergangenen Woche wird Köln von einer schwarz-grünen Koalition
regiert, es ist das erste Bündnis der CDU mit den Grünen in einer
deutschen Millionenstadt. Zustande gekommen ist es, weil die zuvor
regierende Koalition aus der CDU und der FDP eine verheerende
Niederlage im Rat der Stadt einstecken musste. Trotz einer Mehrheit
von einer Stimme scheiterte sie im Dezember und im Januar mit dem
Versuch, den städtischen Wohnungsbaukonzern GAG an das internationale
Investmentunternehmen Terra Firma Capital Partners zu verkaufen.
Mit dem in der Stadt
heftig umstrittenen Geschäft, bei dem es um 420 Millionen Euro ging
und gegen das die Grünen, die SPD, die PDS, die Gewerkschaften und
die Sozialverbände Sturm liefen, hatten die CDU und die FDP den städtischen
Haushalt für das Jahr 2003 finanzieren wollen.
Unmittelbar nach der
zweiten Abstimmungsniederlage kündigte der Fraktionsvorsitzende der
CDU, Rolf Bietmann, Gespräche mit den Grünen an, da »die bisherige
Koalition für wichtige Entscheidungen keine sichere Mehrheit bietet«.
Und die Grünen, die über 15 statt wie die FDP über vier Mandate im
Rathaus verfügen, standen bereit. Rund zwei Wochen dauerten die
Verhandlungen, dann einigten sich die Verhandlungsführer der CDU und
der Grünen.
Für Barbara Moritz ist
die schwarz-grüne Zusammenarbeit in Köln »keine Liebesbeziehung,
sondern ein aus der Not geborenes Zweckbündnis bis zur Kommunalwahl
2004«. Nach 19 Jahren in der Opposition habe ihre Partei einfach
Verantwortung übernehmen müssen, um Schlimmeres zu verhindern. Denn
angesichts eines riesigen Haushaltsdefizits von über 500 Millionen
Euro gehe es »lediglich darum, aus den gegebenen Möglichkeiten das
Beste zu machen«.
Ein neues Phänomen ist
die ungewohnt wirkende Farbkombination in Köln indes nicht. Die
bisher dauerhafteste schwarz-grüne Koalition in einem Rathaus wurde
1989 in der hessischen Gemeinde Otzberg bei Darmstadt gebildet. Seit
dem Juni des Jahres 2001 wird bereits die Landeshauptstadt Saarbrücken
von der CDU und den Grünen regiert. Bündnisse der Christdemokraten
mit den Grünen gibt es derzeit auch in Mecklenburg-Vorpommern, in
Niedersachsen, in Rheinland-Pfalz und in Hessen.
Interessant ist
allerdings der Zeitpunkt, zu dem nun in der viertgrößten Stadt
Deutschlands ein schwarz-grünes Bündnis entsteht. Bei den
vergangenen Landtagswahlen in Hessen und Niedersachsen haben beide
Parteien Stimmengewinne erzielen können, während die SPD schwere
Niederlagen einstecken musste. Vor allem die Schwäche der
Sozialdemokraten gefährdet derzeit die rot-grüne Bundesregierung.
Richard Herzinger
schrieb in der Zeit: »Die Grünen aber werden sich nun verstärkt überlegen,
ob sie ihr Schicksal weiter an eine immer tiefer in die ideologische
Sinnkrise driftende Sozialdemokratie binden wollen.« Die schwarz-grüne
Option werde gerade bei den Grünen enorm an »Zugkraft« gewinnen,
denn: »Warum sollten die Grünen ihr wachsendes Selbstvertrauen immer
nur dazu einsetzen, einem sklerotischen Partner über die Hürde zur
Macht zu verhelfen?«
Die Kölner Grünen
versuchen, dem Verdacht entgegenzuwirken, sie könnten mit der Wendung
zur CDU auch in dieser Hinsicht die Geschichte der FDP nachvollziehen.
Sie vermeiden daher jede ideologische Überhöhung der neuen
Farbenlehre in Köln. Mit den skurrilen Schwärmereien ihres baden-württembergischen
Parteifreundes Oswald Metzger habe das, was in Köln geschehe, nichts
zu tun.
Metzger hat kürzlich
in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung die Art und Weise
kritisiert, »wie sich die grüne Führungsriege um Joseph Fischer in
den letzten drei Monaten von der SPD vorführen ließ« und schwarz-grünen
Bündnissen »mehr Charme, kreative Veränderung und gesellschaftliche
Modernisierung als allen anderen politischen Farbkonzepten«
zugetraut. »Schwarz-grün symbolisiert das Aufbrechen von Tabus,
versinnbildlicht die Bereitschaft, im Interesse der dringend
notwendigen gesellschaftlichen Erneuerung aus den eingefahrenen Pfaden
des politischen Establishments auszubrechen«, schrieb Metzger. Er
wies zurecht daraufhin, dass sich die CDU und die Grünen auf der »Werteebene«
durchaus nahe stünden.
Vor allem beim Thema
Umweltschutz und bei der Vorstellung, welche Rolle der Staat spielen
solle, gebe es Übereinstimmungen. Die Grünen wie die CDU wollten die
Schöpfung bewahren, den »allmächtigen Staat« zurückdrängen, auf
mehr Eigenverantwortung und Bürgerbeteiligung setzen und das »Leben
zu Lasten künftiger Generationen« beenden. Auch ein »gewisser
Wachstumsskeptizismus« sei den Grünen und den Christdemokraten
gemein.
Tatsächlich sind der
Wertkonservatismus und der Wirtschaftsliberalismus in beiden Parteien
zu finden. Dennoch spricht Metzger momentan noch für eine Minderheit
in seiner Partei. Andere Grüne versuchen, eine allzu große Nähe zur
CDU zu bestreiten. Der parlamentarische Geschäftsführer der Partei
im Bundestag, Volker Beck, sagte in der vorigen Woche: »Die
Voraussetzung, dass die Union für uns auf Landes- und Bundesebene ein
Gesprächspartner wird, wäre, dass sie endlich ihre programmatische
Erneuerung in Angriff nimmt.«
Solange die CDU in
ihren Wahlkämpfen »die ausländerfeindliche Karte« ziehe, im ökologischen
Bereich Defizite aufweise und in der Wirtschaftspolitik die Belange
der Arbeitnehmer außer Acht lasse, gebe es kaum Chancen für eine
Zusammenarbeit.
Tatsächlich ist vor
allem die Ausländerpolitik, neben der Sicherheitspolitik, ein Thema,
bei dem die Vorstellungen der beiden Parteien ein gehöriges Stück
auseinandergehen. In Köln gaben sich die Grünen daher auch alle Mühe,
Ergebnisse auszuhandeln, die der Parteibasis zu vermitteln waren. Es
gelang ihnen aber am Ende, dass bei diesem Thema der grüne Anteil am
Koalitionsvertrag deutlich wurde.
So vereinbarten die
beiden Parteien eine Wende im Umgang mit Flüchtlingen. Die
schwarz-gelbe Politik der Abschreckung, die die Stadt Köln in die
Schlagzeilen brachte (Jungle World, 38/01), soll angeblich nicht
fortgeführt werden. Die unmenschliche Verfrachtung von Flüchtlingen
auf Schiffe oder in Wohncontainer soll scheinbar beendet werden, künftig
soll es wieder feste Unterkünfte geben. Auch die Sammelverpflegung
soll abgeschafft werden. »Die bisherige Flüchtlingspolitik hatte uns
ja auch keine Freunde in Köln gemacht – vom Katholikenausschuss bis
zu den Gewerkschaften«, gibt sich der Christdemokrat Bietmann lernfähig.
Vielleicht folgt seinem
Beispiel ja bald der eine oder andere Parteikollege. Der Generalsekretär
der CDU in Nordrhein-Westfalen, Herbert Reul, sagte dem Kölner Express,
dass schwarz-grüne Koalitionen »auf jeden Fall nicht mehr als
unrealistisch abgetan werden« sollten. Sollte der Niedergang der
Sozialdemokraten weitergehen, könnte vielleicht auch in dem einen
oder anderen Bundesland demnächst ein »Tabubruch« fällig sein.
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