Jürgen W. Möllemann
hat ein Buch geschrieben, in dem er mit der FDP abrechnet. Die Gründung
einer eigenen Partei behält er sich noch vor.
Die Firma PR+Text aus München
wusste, was sie an ihrem Mitinhaber hatte. »Sein Name ist heute ein
Markenzeichen für Ideen und Konzepte, die ihre Wirkung nicht
verfehlen. Er weiß, wie man Nachrichten macht.« So warb die
Werbeagentur Anfang der achtziger Jahre mit den »Qualitäten« Jürgen
W. Möllemanns für ihre Dienste.
Dass er 20 Jahre später
nichts von seinen Fähigkeiten eingebüßt hat, demonstriert Möllemann
in diesen Tagen. Am Donnerstag wird er im Salon Diana des noblen
Hotels Vier Jahreszeiten in München sein Buch »Klartext. Für
Deutschland« vorstellen. Die PR-Maschine für sein 256 Seiten dickes
Pamphlet läuft bereits auf vollen Touren, ein paar bereits vorher
kolportierte Klatschgeschichten über die FDP und Gerüchte über eine
Parteigründung gehören dazu. Möllemann weiß, wie man »Nachrichten«
macht.
Den Anfang der
Werbekampagne übernahm am vergangenen Donnerstag die FAZ. »Möllemann
bereitet die Gründung einer neuen Partei vor.« Er erwäge, bereits
zur bayrischen Landtagswahl im September anzutreten.
Zusätzlich brachte das
Blatt noch einen Beitrag mit der Überschrift eines der 47 Kapitel des
Buches Möllemanns: »FDP ade!« Illustriert mit 13 »liberalen
Sammelbildchen« der liberalen Prominenz von Guido Westerwelle bis
Otto Graf Lambsdorff, zitiert die FAZ genüsslich den mit etlichen
Bonmots gewürzten Tratsch aus Möllemanns Buch, mit dem er seine
ehemaligen Parteifreunde zu düpieren versucht.
Doch wie konnte die FAZ
so frühzeitig an ein Exemplar des Buches kommen? Eigentlich hätten
nach den Planungen des Verlags Random House keine Auszüge an die Öffentlichkeit
gelangen sollen. Denn Möllemann will sein Werk am 12. März in der
ARD-Talkshow der früheren Moderatorin der »Tagesthemen«, Gaby
Bauer, vorstellen. Diese Show wechselt sich an diesem Sendeplatz mit
der Sendung »Friedman« ab. Am Donnerstag soll dann die große
Presseshow in München abgehalten werden.
Bis dahin sollte das
Manuskript eine geheime Verschlusssache bleiben. Dass die FAZ schon
darin lesen durfte, verdankt sie vermutlich ihren guten Kontakten zu
einem engen Mitstreiter Möllemanns: Fritz Goergen, dessen
rechtspopulistische Handschrift in Möllemanns Buch unverkennbar ist.
Den einstigen
Bundesgeschäftsführer der FDP machte Möllemann vor der
nordrhein-westfälischen Landtagswahl im Jahr 2000 zu seinem
Wahlkampfberater. Er gilt als Erfinder des populistischen Wahlkampfs Möllemanns
und als geistiger Vater der »Strategie 18«. Er war auch der
Ghostwriter für Möllemanns Kolumne im Neuen Deutschland.
Nach der Wahl trat
Goergen aus der FDP aus und veröffentlichte seine »Aufarbeitung«
des gescheiterten »Projekt 18« in der FAZ. In dem Text beschreibt
Goergen die Euphorie, die die Delegierten des Düsseldorfer
Bundesparteitages im Jahr 2001 ergriff, als sie die von ihm ersonnene
neue Strategie der Partei absegneten. Damals »hörte niemand mehr zu
und dachte niemand mehr mit oder gar nach«, schrieb Goergen. Eine »entfesselte
Masse« habe »mit Gefühlen gefüttert« werden wollen und sich von Möllemann
und Westerwelle »besoffen« reden lassen. Und »einen Moment lang
durchzuckte« es Goergen, und der gebürtige Österreicher fragte
sich: »War es so im Sportpalast?«
Heute zeichnen Goergen
und Möllemann ein düsteres Bild »ihrer« Partei, die nun wieder ein
»Anhängsel, Mehrheitsbeschaffer oder Waagscheißerle« sei, wie Möllemann
in seinem Buch schreibt. Sie werde ebenso wie die Grünen »mit den
Resten des Bürgertums« absterben.
Außer solchen
Prophezeiungen, manchem neoliberalen Gedanken sowie den altbekannten
Ansichten Möllemanns über die israelische Politik enthält das Buch
auch eine Beschreibung des liberalen Führungspersonals als einer
Ansammlung intriganter und skrupelloser Unsympathen, die stets auf
ihren eigenen Vorteil bedacht seien.
So erscheint Möllemanns
langjähriger Mentor Hans-Dietrich Genscher als Opportunist: »Wenn er
nichts riskierte, war er immer ganz schnell ganz mutig ganz vorn.«
Genschers größter Wunsch sei es gewesen, dass ihm Möllemann doch
bitte entweder den Friedensnobelpreis oder zumindest den Aachener
Karlspreis besorge.
Über seinen Intimfeind
Otto Graf Lambsdorff, der seine Mitmenschen stets nur wie »baltische
Stiefelknechte« behandele, schreibt Möllemann, er teile zwar ständig
kräftig aus, könne jedoch selbst nichts einstecken – außer Geld.
So habe der »Marktgraf«
im Juni 1984 mit seinem Rücktritt vom Amt des
Bundeswirtschaftsministers wegen der damaligen Parteispendenaffäre
bis nach Mitternacht gewartet, »weil der anbrechende Tag der Stichtag
für die nächsthöhere Stufe von Lambsdorffs Politikerpension«
gewesen sei.
Selbstverständlich
bekommt auch der amtierende Parteivorsitzende, Guido Westerwelle,
seinen Teil ab. Über dessen Umgang mit Untergebenen sagt Möllemann:
»Gegenüber Wehrlosen sind Weicheier immer gern knallhart.«
Und Möllemann bestätigt
zum ersten Mal, was der wegen seiner antisemitischen Ausfälle
kritisierte nordrhein-westfälische Landtagsabgeordnete, Jamal Karsli,
schon seit längerem behauptet: Der Übertritt Karslis von den Grünen
zur FDP im April des Jahres 2002 war mit Westerwelle abgesprochen.
Dem ehemaligen Außenminister
Klaus Kinkel hält Möllemann hingegen vor, während seiner Amtszeit
die Nahost-Politik »vollständig anderen überlassen« und die FDP »gänzlich
abgemeldet« zu haben. Einer der wichtigsten Gründe dafür sei
Kinkels israelischer Schwiegersohn. So sollen sich arabische
Botschafter »gefragt haben, welchen Sinn es noch machen könne, einem
deutschen Außenminister arabische Interessen vorzutragen, wenn dessen
Schwiegersohn, der überdies noch ein Offizier des israelischen
Geheimdienstes Mossad ist, so großen Einfluss auf ihn hat«.
Aus gutem Grund
schweigt Möllemann von seinen finanziellen Machenschaften, mit denen
sich zur Zeit die Staatsanwaltschaften in Münster und Düsseldorf
beschäftigen. Und ob er nun tatsächlich eine eigene Partei gründen
will, erschließt sich auch nach der Lektüre des Vorabdrucks in der
FAZ nicht. Die entsprechende Behauptung der Zeitung vom vergangenen
Donnerstag bezeichnete Möllemanns Sprecher Hans-Joachim Kuhl als »absoluten
Quatsch«. Der Focus will indes erfahren haben, dass Möllemann seiner
»Selbstachtung« zuliebe die FDP bis spätestens Ende des Monats
freiwillig verlassen wolle.
Da ist der inzwischen
parteilose Karsli bereits einen Schritt weiter. Er hat für den 12. März
zu einem ersten Vorbereitungstreffen für seine geplante »sozialliberale,
interkulturelle und interreligiöse Partei, die sich für Frieden und
Gleichberechtigung einsetzt«, nach Düsseldorf eingeladen.
Auch Möllemann habe er
für sein Projekt gewinnen wollen und ihm deswegen mehrere Male
geschrieben. »Aber der hat auf die Briefe nicht reagiert«, erzählt
Karsli enttäuscht und stellt fest: »Die Wege gehen momentan
auseinander.«
Dabei führen Möllemann
und Karsli weiter ihren unermüdlichen Kampf gegen die »zionistische
Lobby«. Karsli hat den Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in
Deutschland, Paul Spiegel, und seinen Stellvertreter, Michel Friedman,
vor Gericht gezerrt, um ihnen verbieten zu lassen, ihn weiter als
Antisemiten zu bezeichnen.
Für den 12. März hat
das Düsseldorfer Landgericht sein Urteil angekündigt. Möllemann führt
seinen Kampf dagegen »literarisch«. »Friedman und der Unfriede«
hat er eines seiner Buchkapitel überschrieben.
|