12.03.2003

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Jungle World

*   Der Krampf geht weiter
Von Pascal Beucker

Jürgen W. Möllemann hat ein Buch geschrieben, in dem er mit der FDP abrechnet. Die Gründung einer eigenen Partei behält er sich noch vor.

Jürgen W. MöllemannDie Firma PR+Text aus München wusste, was sie an ihrem Mitinhaber hatte. »Sein Name ist heute ein Markenzeichen für Ideen und Konzepte, die ihre Wirkung nicht verfehlen. Er weiß, wie man Nachrichten macht.« So warb die Werbeagentur Anfang der achtziger Jahre mit den »Qualitäten« Jürgen W. Möllemanns für ihre Dienste.

Dass er 20 Jahre später nichts von seinen Fähigkeiten eingebüßt hat, demonstriert Möllemann in diesen Tagen. Am Donnerstag wird er im Salon Diana des noblen Hotels Vier Jahreszeiten in München sein Buch »Klartext. Für Deutschland« vorstellen. Die PR-Maschine für sein 256 Seiten dickes Pamphlet läuft bereits auf vollen Touren, ein paar bereits vorher kolportierte Klatschgeschichten über die FDP und Gerüchte über eine Parteigründung gehören dazu. Möllemann weiß, wie man »Nachrichten« macht.

Den Anfang der Werbekampagne übernahm am vergangenen Donnerstag die FAZ. »Möllemann bereitet die Gründung einer neuen Partei vor.« Er erwäge, bereits zur bayrischen Landtagswahl im September anzutreten.

Zusätzlich brachte das Blatt noch einen Beitrag mit der Überschrift eines der 47 Kapitel des Buches Möllemanns: »FDP ade!« Illustriert mit 13 »liberalen Sammelbildchen« der liberalen Prominenz von Guido Westerwelle bis Otto Graf Lambsdorff, zitiert die FAZ genüsslich den mit etlichen Bonmots gewürzten Tratsch aus Möllemanns Buch, mit dem er seine ehemaligen Parteifreunde zu düpieren versucht.

Doch wie konnte die FAZ so frühzeitig an ein Exemplar des Buches kommen? Eigentlich hätten nach den Planungen des Verlags Random House keine Auszüge an die Öffentlichkeit gelangen sollen. Denn Möllemann will sein Werk am 12. März in der ARD-Talkshow der früheren Moderatorin der »Tagesthemen«, Gaby Bauer, vorstellen. Diese Show wechselt sich an diesem Sendeplatz mit der Sendung »Friedman« ab. Am Donnerstag soll dann die große Presseshow in München abgehalten werden.

Bis dahin sollte das Manuskript eine geheime Verschlusssache bleiben. Dass die FAZ schon darin lesen durfte, verdankt sie vermutlich ihren guten Kontakten zu einem engen Mitstreiter Möllemanns: Fritz Goergen, dessen rechtspopulistische Handschrift in Möllemanns Buch unverkennbar ist.

Den einstigen Bundesgeschäftsführer der FDP machte Möllemann vor der nordrhein-westfälischen Landtagswahl im Jahr 2000 zu seinem Wahlkampfberater. Er gilt als Erfinder des populistischen Wahlkampfs Möllemanns und als geistiger Vater der »Strategie 18«. Er war auch der Ghostwriter für Möllemanns Kolumne im Neuen Deutschland.

Nach der Wahl trat Goergen aus der FDP aus und veröffentlichte seine »Aufarbeitung« des gescheiterten »Projekt 18« in der FAZ. In dem Text beschreibt Goergen die Euphorie, die die Delegierten des Düsseldorfer Bundesparteitages im Jahr 2001 ergriff, als sie die von ihm ersonnene neue Strategie der Partei absegneten. Damals »hörte niemand mehr zu und dachte niemand mehr mit oder gar nach«, schrieb Goergen. Eine »entfesselte Masse« habe »mit Gefühlen gefüttert« werden wollen und sich von Möllemann und Westerwelle »besoffen« reden lassen. Und »einen Moment lang durchzuckte« es Goergen, und der gebürtige Österreicher fragte sich: »War es so im Sportpalast?«

Heute zeichnen Goergen und Möllemann ein düsteres Bild »ihrer« Partei, die nun wieder ein »Anhängsel, Mehrheitsbeschaffer oder Waagscheißerle« sei, wie Möllemann in seinem Buch schreibt. Sie werde ebenso wie die Grünen »mit den Resten des Bürgertums« absterben.

Außer solchen Prophezeiungen, manchem neoliberalen Gedanken sowie den altbekannten Ansichten Möllemanns über die israelische Politik enthält das Buch auch eine Beschreibung des liberalen Führungspersonals als einer Ansammlung intriganter und skrupelloser Unsympathen, die stets auf ihren eigenen Vorteil bedacht seien.

So erscheint Möllemanns langjähriger Mentor Hans-Dietrich Genscher als Opportunist: »Wenn er nichts riskierte, war er immer ganz schnell ganz mutig ganz vorn.« Genschers größter Wunsch sei es gewesen, dass ihm Möllemann doch bitte entweder den Friedensnobelpreis oder zumindest den Aachener Karlspreis besorge.

Über seinen Intimfeind Otto Graf Lambsdorff, der seine Mitmenschen stets nur wie »baltische Stiefelknechte« behandele, schreibt Möllemann, er teile zwar ständig kräftig aus, könne jedoch selbst nichts einstecken – außer Geld.

So habe der »Marktgraf« im Juni 1984 mit seinem Rücktritt vom Amt des Bundeswirtschaftsministers wegen der damaligen Parteispendenaffäre bis nach Mitternacht gewartet, »weil der anbrechende Tag der Stichtag für die nächsthöhere Stufe von Lambsdorffs Politikerpension« gewesen sei.

Selbstverständlich bekommt auch der amtierende Parteivorsitzende, Guido Westerwelle, seinen Teil ab. Über dessen Umgang mit Untergebenen sagt Möllemann: »Gegenüber Wehrlosen sind Weicheier immer gern knallhart.«

Und Möllemann bestätigt zum ersten Mal, was der wegen seiner antisemitischen Ausfälle kritisierte nordrhein-westfälische Landtagsabgeordnete, Jamal Karsli, schon seit längerem behauptet: Der Übertritt Karslis von den Grünen zur FDP im April des Jahres 2002 war mit Westerwelle abgesprochen.

Dem ehemaligen Außenminister Klaus Kinkel hält Möllemann hingegen vor, während seiner Amtszeit die Nahost-Politik »vollständig anderen überlassen« und die FDP »gänzlich abgemeldet« zu haben. Einer der wichtigsten Gründe dafür sei Kinkels israelischer Schwiegersohn. So sollen sich arabische Botschafter »gefragt haben, welchen Sinn es noch machen könne, einem deutschen Außenminister arabische Interessen vorzutragen, wenn dessen Schwiegersohn, der überdies noch ein Offizier des israelischen Geheimdienstes Mossad ist, so großen Einfluss auf ihn hat«.

Aus gutem Grund schweigt Möllemann von seinen finanziellen Machenschaften, mit denen sich zur Zeit die Staatsanwaltschaften in Münster und Düsseldorf beschäftigen. Und ob er nun tatsächlich eine eigene Partei gründen will, erschließt sich auch nach der Lektüre des Vorabdrucks in der FAZ nicht. Die entsprechende Behauptung der Zeitung vom vergangenen Donnerstag bezeichnete Möllemanns Sprecher Hans-Joachim Kuhl als »absoluten Quatsch«. Der Focus will indes erfahren haben, dass Möllemann seiner »Selbstachtung« zuliebe die FDP bis spätestens Ende des Monats freiwillig verlassen wolle.

Da ist der inzwischen parteilose Karsli bereits einen Schritt weiter. Er hat für den 12. März zu einem ersten Vorbereitungstreffen für seine geplante »sozialliberale, interkulturelle und interreligiöse Partei, die sich für Frieden und Gleichberechtigung einsetzt«, nach Düsseldorf eingeladen.

Auch Möllemann habe er für sein Projekt gewinnen wollen und ihm deswegen mehrere Male geschrieben. »Aber der hat auf die Briefe nicht reagiert«, erzählt Karsli enttäuscht und stellt fest: »Die Wege gehen momentan auseinander.«

Dabei führen Möllemann und Karsli weiter ihren unermüdlichen Kampf gegen die »zionistische Lobby«. Karsli hat den Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland, Paul Spiegel, und seinen Stellvertreter, Michel Friedman, vor Gericht gezerrt, um ihnen verbieten zu lassen, ihn weiter als Antisemiten zu bezeichnen.

Für den 12. März hat das Düsseldorfer Landgericht sein Urteil angekündigt. Möllemann führt seinen Kampf dagegen »literarisch«. »Friedman und der Unfriede« hat er eines seiner Buchkapitel überschrieben.


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