28.05.2003

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Jungle World

*   Der Staat hasst mit
Von Pascal Beucker

V-Mann-Affäre in Brandenburg.

Was würde die rechtsextreme Szene bloß ohne ihre staatlich alimentierten »Vertrauensmänner« machen? Sie hätte sich beispielsweise nicht darauf verlassen können, dass eine Razzia gegen mutmaßliche Aktivisten der Brandenburger »Nationalen Bewegung« ins Leere läuft.

Der Skandal konnte bis zur vergangenen Woche unter Verschluss gehalten werden. 200 Beamte sollten Anfang Februar 2001 in den Wohnungen von 19 Neonazis Hinweise auf die »Nationale Bewegung« finden. Die Terrorgruppe hatte sich zwischen Januar 2000 und Januar 2001 zu insgesamt 16 rechtsextremistischen Aktionen bekannt, darunter ein Brandanschlag auf die Trauerhalle des Jüdischen Friedhofs in Potsdam. Was die Ermittler indes seinerzeit vorfanden, war nicht mehr als der übliche szenetypische Kleinkram: ein paar Hass-CDs, Fahnen, Baseballschläger. Kein Wunder, der »Vertrauensmann« Christian K. hatte die Wohnungsinhaber frühzeitig informiert. Nur weil der Telefonanschluss des einschlägig bekannten Skinheads Sven S. vom brandenburgischen Landeskriminalamt abgehört wurde, kam der Verrat heraus. Die Potsdamer Polizei zog zwar ihre ursprünglich zehn Tage später geplante Durchsuchungsaktion auf den folgenden Tag vor. Doch da war es schon zu spät.

Ansonsten blieb die »Panne« weitgehend ohne Konsequenzen. Die Parlamentarische Kontrollkommission (PKK) des Landtages wurde nicht informiert, Christian K. erst 18 Monate später »abgeschaltet«. Ein Ermittlungsverfahren wegen Geheimnisverrats »gegen unbekannte Bedienstete des Landes Brandenburg« leitete die Potsdamer Staatsanwaltschaft erst jetzt, nach der Aufdeckung des Skandals durch den Tagesspiegel und die Märkische Allgemeine, ein. Seit mittlerweile zwei Jahren sucht die Generalbundesanwaltschaft erfolglos nach den Mitgliedern der »Nationalen Bewegung«.

Keine Konsequenzen hat es auch für Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm. Denn schließlich, so rechtfertigte sich der Christdemokrat, habe ja der Verfassungsschutz heute »einen besseren Zugang zum rechtsextremistischen Spektrum« als vor seinem Amtsantritt. Ob er damit beispielsweise die illegale Neonazi-CD »Noten des Hasses« meinte, die rassistische und antisemitische Mordaufrufe enthält? Sie wurde nämlich, wie gerichtlich bescheinigt, »unter den Augen und in Kenntnis einer staatlichen Behörde« vertrieben. Der Brandenburger Toni S., V-Mann und einer der Produzenten, kam deshalb im vergangenen Herbst mit einer Bewährungsstrafe davon.

Es geht hier allerdings nicht allein um ein Brandenburger Problem. Die Zone, in der sich die Innenministerien durch den Einsatz von V-Leuten bewegen, muss zwangsläufig grau sein. So stellte sich im NPD-Verbotsverfahren nicht nur heraus, dass ganze Landesverbände lange Zeit von V-Männern geführt wurden, sondern die Partei die guten Kontakte auch als lukrative Einnahmequelle nutzte. Nicht wenige der vom Verfassungsschutz alimentierten Spitzel hatten sich der NPD längst offenbart und brav ihre Tantiemen abgeführt.

Der aktuelle Fall bestätigt nur, dass der Einsatz von V-Leuten im Speziellen sich ebenso wenig parlamentarisch kontrollieren lässt wie der Verfassungsschutz im Allgemeinen. Die Grauzone kann nur durch eine Entscheidung aufgehellt werden: seine Abschaffung. Die Grünen haben das einst gefordert, gerüchteweise auch die PDS. Aber das war irgendwann im vergangenen Jahrhundert, ist also lange her und vergessen.


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