04.06.2003

Startseite
Jungle World

*   Kennt keiner, will keiner
Von Pascal Beucker

Koalitionskrise in Nordrhein-Westfalen.

Wie das wohl für die nordrhein-westfälischen Grünen klingt? In einem »ergebnisoffenen Klärungsprozess« will der Ministerpräsident Peer Steinbrück (SPD) bis Mitte Juli prüfen lassen, ob die rot-grüne Koalition in Düsseldorf fortgesetzt wird. Denkbar ist aber auch, dass es bereits am 14. Juni zu einem Showdown kommt. An diesem Tag veranstaltet die SPD in Bochum einen außerordentlichen Landesparteitag.

Der Landesvorsitzende der Grünen, Frithjof Schmidt, erhofft sich von dem Parteitag der SPD »ein klares Bekenntnis zum rot-grünen Koalitionsvertrag«. Die Grünen befürchten, der sechswöchige »Klärungsprozess« könnte nur dazu dienen, ihnen die Schuld für das Scheitern der Koalition zuzuschieben.

Steinbrück veranlassten nicht die üblichen Auseinandersetzungen in der Energie- und Verkehrspolitik, die die Koalition seit 1995 plagen, zu seinem Konfrontationskurs. Einen konkreten Konflikt gab es diesmal nicht. Den Nachfolger Wolfgang Clements ergriff offensichtlich die Panik. Ein Jahr vor den Kommunalwahlen und zwei Jahre vor der Landtagswahl bescheinigen die Umfragen der SPD, dass sie sich in ihrem Stammland in der Wählergunst langsam aber sicher bayrischen Verhältnissen nähert.

Steinbrücks Umfragewerte sind desolat. Im direkten Vergleich liegt er klar hinter seinem christdemokratischen Herausforderer, dem Freund der Kinder und Feind der Inder, Jürgen Rüttgers. Besonders schlecht sind Steinbrücks Werte in zwei für die SPD wahlentscheidenden Bereichen. Bei der »sozialen Kompetenz« liegt nach einer dimap-Umfrage Rüttgers ebenso deutlich vorn wie in der Frage der Kompetenz zur Sicherung der Arbeitsplätze. Rüttgers hat die Stimmung im Land schon mit einer passenden Parole bedient: »Die Regierung Steinbrück kennt keiner, will keiner, mag keiner.«

Obwohl der Name Steinbrücks seit der vergangenen Woche bekannter geworden sein dürfte, droht der seit 1966 in Nordrhein-Westfalen regierenden SPD so etwas wie die Apokalypse. Nach einem Gespräch mit Bundeskanzler Gerhard Schröder sagte Steinbrück in der vergangenen Woche, es gehe ihm nicht um einzelne Punkte, sondern darum, »ob diese Koalition eine Aufstellung hat, inhaltliche Positionen hat, die Probleme dieses Landes zu lösen«. Nachdem sich auf dem Sonderparteitag der SPD am vergangenen Sonntag in Berlin rund 90 Prozent der Delegierten für Schröders Agenda 2010 aussprachen, soll der SPD an Rhein und Ruhr nun eine »Nordrhein-Westfalen-Agenda« helfen.

Und nach den Vorstellungen Steinbrücks wohl auch ein neuer Koalitionspartner: die NRW-Liberalen. Dass die Sozialdemokraten sich ausgerechnet von einer Zusammenarbeit mit den Erben Jürgen Möllemanns eine bessere »Aufstellung« versprechen, zeigt allerdings nur, wie tief sie bereits gesunken sind.

Doch nun scheint sich Steinbrück seiner Sache nicht mehr ganz sicher zu sein. Einen Bericht, in seinem Umfeld kursiere bereits eine neue Kabinettsliste, ließ er umgehend dementieren. Es sei frei erfunden, dass das Umwelt- und das Bauministerium der Grünen Bärbel Höhn und Michael Vesper zukünftig sozialdemokratisch geführt und die FDP mit den Ressorts für Inneres, Justiz und Wissenschaft bedacht werden sollten.


© Pascal Beucker. Alle Rechte an Inhalt, Gestaltung, Fotos liegen beim Autor. Direkte und indirekte Kopien, sowie die Verwendung von Text und Bild nur mit ausdrücklicher, schriftlicher Genehmigung des Autors.