16.01.2003

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taz

*   Zwei Milliarden Euro Verlust 
Von Pascal Beucker

Die Tabaksteuer ist hoch. Deshalb lohnt Schmuggel. Der Fiskus hat das Nachsehen.

Zigarettenschmuggel ist ein äußerst lukratives Geschäft. Der Grund: die hohe Tabaksteuer. Denn von den rund 15 Cent, die eine Zigarette hierzulande kostet, entfallen nur 3oder 4 Cent auf die Produktion. Das bringt dem Fiskus von jeder verkauften Stange Zigaretten rund 18 Euro. So ist die Tabaksteuer die ertragreichste spezielle Verbrauchsteuer nach der Mineralölsteuer.

In der Bundesrepublik wird die Steuer bezahlt, indem der Zigarettenhersteller oder -importeur bei einer der "Zentralen Steuerzeichenstellen" des Bundes, z. B. im Hamburger Hafen, eine Banderole erwirbt. Wenn man sich jedoch nun die Steuer spart und eine Stange, die versteuert zwischen 27 und 30 Euro kosten würde, für 15 Euro verkauft, lohnt sich das für den Raucher - und erst recht für die Schmuggler: Ein Lastwagen voll banderolenlosen Zigaretten bringt ca. 1 Million Euro. Und die Kippendealer gehen ihrem Gewerbe mit Kreativität nach. Da werden die Zichten zwischen Bratpfannen oder auch in Konserveneimern mit Aufschriften wie "Sauerkraut aus deutschen Landen" und "Oliven aus Italien" versteckt, berichten Zollfahnder.

Obwohl pro Jahr etwa 1 Milliarde geschmuggelter Zigaretten beschlagnahmt werden können, schätzt das Bundesfinanzministerium den jährlichen Verlust durchs Schwarzrauchen auf rund eine halbe Milliarde Euro. Die EU-Kommission beziffert die europaweiten Einbußen auf jährlich 2 Milliarden Euro. Ihr Verdacht: Bei dem illegalen Geschäft mischen nicht nur die üblichen kriminellen Banden mit, auch die großen Tabakkonzerne selbst seien der Verlockung der hohen Gewinnmargen erlegen. Die Hersteller, so sind die Brüsseler Kommissare überzeugt, würden die Schmuggler kennen, sie aber trotzdem beliefern. Unterstützt von zehn Mitgliedsstaaten, versucht die EU deshalb, vor Gerichten in den USA gegen die US-Konzerne Philip Morris, R.J. Reynolds und Japan Tobacco vorzugehen und sie zu zwingen, zwischen 10 und 30 Milliarden Euro in den EU-Haushalt zu überweisen. Eine Beschwerde jener Firmen gegen die Klage erklärte der Europäische Gerichtshof in Luxemburg gestern in erster Instanz für unzulässig.

Eine erste Zivilklage auf Schadenersatz vor einem US-Gericht war allerdings schon im Februar vergangenen Jahres gescheitert. Das zuständige New Yorker Bezirksgericht hielt es nicht für seine Sache, Steuergelder anderer Staaten einzutreiben. Seit Oktober macht die EU einen zweiten Anlauf: Diesmal nur gegen den Reynolds-Konzern, dafür aber mit verschärften Vorwürfen. In ihrer Anklageschrift beschuldigt die verantwortliche deutsche EU-Haushaltskommissarin Michaele Schreyer das US-Unternehmen, in großem Stil an der Geldwäsche von Gewinnen des organisierten Verbrechens beteiligt zu sein - und durch Schmuggel das Embargo gegen Irak unterlaufen zu haben.


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