18.03.2003

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taz

*   Möllemann tritt aus der FDP aus 
Von Pascal Beucker

Nach seinem Austritt wütet er gegen alte Feinde und spielt mit Haider-Vokabular. Seine Mandate will er behalten.

In der FDP-Zentrale in der Berliner Reinhardtstraße knallten gestern die Sektkorken: Eigentlich hatte Jürgen W. Möllemann ja unbedingt in seiner "liberalen Familie" bleiben und gegen den drohenden Ausschluss mit allen Mitteln ankämpfen wollen. Gestern hat es sich der Politdesperado zur Freude von Westerwelle & Co. anders überlegt: Er ist aus der FDP ausgetreten.

Seit einem halben Jahr habe die Parteiführung eine "Hetz- und Treibjagd" veranstaltet und versucht, ihn "politisch und menschlich zu zerstören", teilte Möllemann in einer in Düsseldorf verbreiteten schriftlichen Erklärung mit. Nun wolle er nicht länger seine Kräfte auf die Abwehr dieser "Vernichtungsstrategie" vergeuden. Seine Parlamentsmandate im Bundes- und im Landtag von Nordrhein-Westfalen wird der 57-jährige Exvizekanzler indes behalten.

"Wofür ich in der FDP gekämpft habe, dafür werde ich nun als freier Demokrat und freier Abgeordneter kämpfen", verkündete der Skandalpolitiker. Ob er eine neue Partei gründen werde, ließ Möllemann weiter offen: "Wie sich meine politische und berufliche Zukunft jetzt konkret gestalten lässt, das prüfe ich gründlich und entscheide es mit dem nötigen Abstand."

Seinen Austritt nutzte Möllemann, um wieder heftige Attacken gegen seine einstigen politischen Wegbegleiter zu reiten. Die derzeitige Parteispitze wolle "wieder die kleine Partei für feine Leute sein - die der Besserverdienenden eben". Er hingegen setzte sich für eine "Freiheitspartei für das ganze Volk" ein. Über die staatsanwaltlichen Ermittlungen gegen ihn wegen seiner mutmaßlich kriminellen finanziellen Machenschaften verlor Möllemann erneut kein Wort.

Der FDP-Ehrenvorsitzende Otto Graf Lambsdorff machte aus seiner Freude keinen Hehl: "Das ist das Beste, was Herr Möllemann tun konnte." Lambsdorff wird in "Klartext", dem Abrechnungsbuch Möllemanns, besonders heftig angegriffen. Nach der Präsentation des 256-Seiten-Pamphlets in der vergangenen Woche in München wurde intern mit einem Austritt des abgestürzten Fallschirmspringers bis spätestens Ende des Monats gerechnet. Zu tief hat hier Möllemann in die Tratsch-, Klatsch- und Schmutz-Kiste gegriffen, um noch den Eindruck vermitteln zu können, seine Zukunft in der FDP zu sehen. So versucht er in dem Buch nicht nur seine Widersacher lächerlich zu machen, sondern spielt auch auf Westerwelles Privatleben an.

Für Möllemanns Nachfolger als NRW-FDP-Chef, Andreas Pinkwart, war die Trennung "unumgänglich, um weiteren Schaden von der FDP abzuwenden". Möllemann sei "an sich selbst gescheitert". Die Partei erwarte nun aber auch, dass er seine Parlamentsmandate niederlege. Auch FDP-NRW-Landtagsfraktionschef Ingo Wolf bezeichnete den Abgang als "erwartet, aber auch überfällig". Mit seiner Austrittserklärung sei Möllemann nach der Geschäftsordnung jetzt automatisch nicht länger Mitglied der FDP-Landtagsfraktion. Damit habe sich auch das am vergangenen Dienstag eingeleitete zweite Fraktionsausschlussverfahren gegen ihn von selbst erledigt. Ein erster Rausschmissversuch aus der NRW-Fraktion war im Februar an einer Stimme gescheitert.


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