CDU-Landesparteitag
in Bochum: Angela Merkel kredenzt ihrer unzufriedenen Basis die neue
USA-kritische Parteivorsitzende. Das kommt an.
Der Applaus
verklingt, Jürgen Rüttgers ergreift das Wort. "Liebe Freunde,
wir haben ausdrücklich gesagt, wer diskutieren will, kann sich
melden", erklärt der Landesvorsitzende der NRW-CDU. Und?
"Es hat sich keiner gemeldet." Zufrieden dankt er Angela
Merkel für ihre Rede zum Irakkrieg. Kein Diskussionsbedarf.
Sie kam, sah
und siegte. Um 13.05 Uhr betrat die Parteivorsitzende am Samstag unter
Standing Ovations die Bochumer RuhrCongress-Halle, um 13.50 Uhr verließ
sie den Parteitag des mitgliederstärksten CDU-Landesverbandes - unter
Standing Ovations. Dazwischen lag eine Rede, mit der Merkel die
Kritiker ihres Pro-Amerika-Kurses in der Irakfrage zum Schweigen
gebracht hatte - durch Integration: Sie sprach von den Schrecken des
Krieges, von denen besonders die Alten durch den Zweiten Weltkrieg
geprägt seien. Ausführlich würdigte die Protestantin die Haltung
des Papstes, dessen Worte sie "ganz besonders berührt" hätten.
Sie redete von der wichtigen Rolle der UN und betonte, dass Krieg
nicht "die normale Fortsetzung von Politik werden" dürfe -
wenn auch die Abschreckung durch militärische Gewalt unverzichtbar
sei. Und dann verkündete sie: "Ich will in der Frage von Krieg
und Frieden keine stromlinienförmige Partei." Das sei
"keine Sache von Befehl und Gehorsam, sondern eine Sache persönlicher
Auseinandersetzung, die im politischen Raum unserer Partei
stattfindet". Sogar ihre Kritik an der rot-grünen
Bundesregierung fiel verhalten aus und kulminierte in dem Satz:
"Alle Seiten haben politisch und diplomatisch versagt."
War da was?
Ach ja: Im transatlantischen Bündnis müsse Vertrauen herrschen, tönt
der alte Merkel-Sound. Dann jedoch könnten die Europäer den USA auch
sagen, "was aus unserer Sicht nicht geht: Wenn ihr glaubt, dass
ihr als einzige Supermacht auf dieser Welt alles alleine regeln könnt,
dann werdet ihr scheitern." Das klang schon beinahe aufmüpfig -
und gar nicht mehr so wie noch vor wenigen Tagen.
Eine
erfolgreiche Kurskorrektur: Nicht ein Fünkchen des Aufbegehrens gegen
die in den Meinungsumfragen rapide Abgestürzte. Den Stimmungstest bei
ihrem ersten Aufritt vor einem größeren Kreis der Basis hat Merkel
bestanden. Mit Geschick, wie ein älterer Delegierter anerkennend zu
seinem Sitznachbarn sagt: "Das ist nicht mehr das Mädchen."
Er habe sich zwar eine andere Position zum Irakkrieg gewünscht, aber
sie habe wenigstens eine: "Wenn ich mir da das Rumgeeiere in München
anschaue!"
Offener
Widerspruch zum Kurs der Chefin? Fehlanzeige. Der Gelsenkirchener
Oberbürgermeister und CDU-Landesvize Oliver Wittke, der der
US-Regierung zuvor "Wildwestmanieren" bescheinigt hatte,
widerspricht nach Merkels Rede ebenso wenig wie das Neusser
Anti-Kriegs-Tandem in der Bundestagsfraktion, Willy Wimmer und Hermann
Gröhe. Warum auch? Die Rede, so Gröhe zur taz, sei schließlich
"ein deutliches Zugehen auf die Stimmung der Bevölkerung und
damit auch in der Partei" gewesen: "Da ist jetzt eine ganz
andere Tonlage hineingekommen." Selbstverständlich halte er die
Entscheidung der USA, ohne UN-Mandat in den Irak einzumarschieren,
weiter für falsch und er erfahre dafür auch "viel
Zustimmung", so der 42-Jährige, der als Ratsmitglied maßgeblich
die Position der Evangelischen Kirche in Deutschland gegen den Krieg
mitformuliert hat. Doch "irgendwann macht es keinen Sinn mehr, über
die Vergangenheit zu sprechen". |