21.05.2003

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taz

*   Nur die Angst hält Rot-Grün in NRW zusammen 
Von Pascal Beucker

Düsseldorfer Koalition stolpert von einer Krise in die nächste. Grüne: SPD sucht Sündenbock für Stimmungstief im Land.

Es wird allmählich zum Ritual. Alle ein bis zwei Wochen kreist sie durch die Düsseldorfer Landtagsflure: die Koalitionskrise. Diesmal war es eine eigentlich nicht gerade entscheidende Abstimmung in einem Ausschuss, die den SPD-Landtagsfraktionschef Edgar Moron davon sprechen ließ.

Zum Ablauf: Weil er sich von Verkehrsminister Axel Horstmann (SPD) übertölpelt fühlte, stimmte der grüne Abgeordnete Peter Eichenseher am Freitag mit FDP und CDU für eine Vertagung des Tagesordnungspunktes "Ausbau des Dortmunder Hauptbahnhofs". Für die grüne Landtagsfraktionschefin Sylvia Löhrmann eine "Abstimmungspanne". Für die Sozialdemokraten dagegen wieder ein Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte, und ein Grund, am Koalitionspartner zu zweifeln. Ein Krisengespräch jagte das nächste. Bis am Montagabend fürs Erste die Entwarnung kam. Das Trauerspiel geht weiter.

Business as usual in einer Koalition, die ihren Vorrat an Gemeinsamkeiten aufgebraucht hat. Die beiden ungleichen Partner haben sich auseinander gelebt - wenn sie denn je wirklich zusammen waren. Teile der SPD, so Löhrmann, hätten sich immer noch nicht daran gewöhnt, dass sie die Macht mit den Grünen teilen müssen.

Das Problem: Sie werden sich auch nicht mehr daran gewöhnen. SPD-Parteichef Harald Schartau droht bereits: "Wenn man der Auffassung ist, dass die Gemeinsamkeiten nicht mehr ausreichen, soll man nicht herumreden, sondern auf den Punkt kommen und die Sache zu einem Ende bringen."

Die Nerven bei den Genossen liegen blank. Wären am Sonntag Landtagswahlen, käme die SPD nach der letzten Dimap-Umfrage gerade noch auf 32 Prozent und läge um stolze 16 Punkte hinter der CDU (48 Prozent). Der kleine grüne Regierungspartner würde 9, die Freien Demokraten 7 Prozent erreichen.

Was die Situation für die SPD besonders prekär macht, sind allerdings die desolaten Umfragewerte für ihren Ministerpräsidenten Peer Steinbrück: Danach würde er im Falle einer Direktwahl mit 32 Prozent klar hinter seinem CDU-Herausforderer Jürgen Rüttgers (39 Prozent) liegen. Ganz bitter sind Steinbrücks Werte ausgerechnet in zwei für die SPD wahlentscheidenden Bereichen: Bei der sozialen Kompetenz liegt Rüttgers mit 35 zu 26 Prozent ebenso deutlich vorne wie in der Frage der höheren Kompetenz zur Sicherung der Arbeitsplätze. Hier kommt der CDU-Mann auf 34, sein SPD-Kontrahent nur auf 21 Prozent. Die verheerenden Werte hat CDU-Landeschef Rüttgers bereits mit einer passenden Parole versehen: "Die Regierung Steinbrück kennt keiner, will keiner, mag keiner." Er fordert Neuwahlen. Daran hat allerdings nicht nur die SPD zurzeit kein Interesse.

"Die rot-grüne Koalition ist ausgezehrt, weil die SPD ausgezehrt ist", heißt es denn auch bei den Grünen. Darin sei auch die Ursache der ständigen rot-grünen Krisen zu sehen. Die SPD würde "reflexartig" auf die Grünen einprügeln, weil sie einen Sündenbock brauche. So würden zunehmend Sach- zu Machtfragen hochstilisiert und Problemlösungen immer schwieriger. Die Liste der Knackpunkte ist lang: Finanzierung Metrorapid, Steinkohle, Haushalt, Landesplanungsrecht - in einer langen Liste hat die SPD-Spitze 32 koalitionskritische Punkte aufgeführt.

Doch auch wenn die Stimmung in der Fraktion schlecht ist, die Grünen halten - auch mit Blick auf Berlin - weiter an Rot-Grün in Düsseldorf fest: "Wir haben eine Vereinbarung bis 2005 und die werden wir erfüllen", sagt die gestern einstimmig wiedergewählte Fraktionschefin Löhrmann. In der Partei wächst allerdings der Unmut über die sozialdemokratischen "Betonköpfe". NRW-Grünen-Chef Frithjof Schmidt spricht bereits von "Elementen der Zerrüttung" in der Koalition. Wie groß der Unmut an der Basis ist, wird sich am Wochenende auf dem grünen Landesparteitag in Düsseldorf zeigen. Zum Auftakt steht eine landespolitische Generaldebatte auf dem Programm. Um die Delegierten schon jetzt in die richtige Stimmung zu versetzen, hat SPD-Generalsekretär Michael Groschek seine Erwartungshaltung formuliert: "Wir erwarten ein klares Zeichen, dass die Grünen endlich in der Wirklichkeit ankommen."


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