24.06.2003

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taz

*   WestLB-Chef stolpert über Milliardenverlust 
Von Pascal Beucker

Nach riskanten Geschäften und einer Sonderprüfung der Finanzaufsicht muss Vorstandschef Jürgen Sengera gehen.

Wenn ein Torwart zu viele Tore kassiert, wird er ausgewechselt. Diese Sportlerregel gilt seit gestern auch für die Westdeutsche Landesbank (WestLB). Die fünftgrößte Bank der Bundesrepublik löste den Vertrag mit Vorstandschef Jürgen Sengera mit sofortiger Wirkung auf.

Wie Aufsichtsratschef Bernd Lüthje nach einer Sondersitzung der Anteilseigner mitteilte, sei die Trennung von dem früheren Handball-Nationaltorwart "in gegenseitigem Einvernehmen" vollzogen worden. Als offizieller Grund wurden unterschiedliche Auffassungen zur zukünftigen Geschäftspolitik genannt. Mit Sengera muss auch Vorstand Andreas Seibert das Feld räumen.

Damit zog der Düsseldorfer Geldkonzern die Konsequenzen aus einem Milliardenverlust und einer Sonderprüfung durch die deutsche Finanzaufsicht (BaFin). Gegenstand der Untersuchung ist das Engagement der Bank bei dem britischen TV-Geräte-Verleih BoxClever, das die in London tätige Investmentbankerin Robin Saunders eingefädelt hatte.

Die BaFin hatte die Sonderprüfung eingeleitet, weil die WestLB-Bankerin für die Vermittlung von Krediten offenbar mit besonders günstigen Aktien der betreffenden Firmen belohnt wurde. Das Interesse der Prüfer galt auch der Frage, ob die Risikovorsorge für die teilweise hochriskanten Geschäfte von Saunders und die Kontrolle ihrer Tätigkeiten ausreichend war. Ein BaFin-Sprecher wollte keine inhaltlichen Angaben zu dem Gutachten machen. Er könne wegen der gesetzlich vorgeschriebenen Verschwiegenheitspflicht nicht einmal die Tendenz des Sondergutachtens erläutern, erklärte er.

Vor allem wegen des riskanten Auslandsgeschäfts wies die Bank für 2002 einen Vorsteuerverlust von rund 1,7 Milliarden Euro aus, nachdem sie Ende Februar noch von 1 Milliarde Euro Verlust ausgegangen war. Umstritten sind auch weitere Geschäfte, wie die Finanzierung einer Öl-Pipeline in Ecuador, an der der Vorstand trotz Kritik von Umweltschützern und erhitzten Diskussionen im Düsseldorfer Landtag festhielt.

Der 60-jährige Sengera hatte erst vor knapp zwei Jahren den Vorstandsvorsitz von Friedel Neuber übernommen. Der affärenerprobte Sozialdemokrat hatte zuvor 20 Jahre lang an der Spitze der größten deutschen Landesbank gestanden. Nun bemüht sich der nordrhein-westfälische Finanzminister Jochen Dieckmann (SPD) um einen geeigneten Nachfolger Sengeras. Der Aufsichtsrat will sich am 2. Juli weiter mit dem Thema beschäftigen.


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