27.06.2003

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*   Kölner Müll-Affäre betrifft den Bundestag 
Von Pascal Beucker und Frank Überall

Staatsanwältin fordert die Aufhebung der Immunität des CDU-Abgeordneten und Kölner Fraktionschefs Bietmann.

Nach der SPD gerät nun auch die CDU in den Kölner Müllsumpf: Rolf Bietmann, der Chef der christdemokratischen Ratsfraktion in der Domstadt und Bundestagsabgeordneter, steht unter Korruptionsverdacht. Die Staatsanwaltschaft hat bei Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) die Aufhebung seiner Immunität beantragt. Das bestätigte die Kölner Oberstaatsanwältin Regine Appenrodt der taz. Zu Einzelheiten will sich die Ermittlungsbehörde erst in der kommenden Woche äußern.

Wie die taz allerdings aus Justizkreisen erfuhr, geht es offenbar um einen Beratervertrag, den der ehemalige Müllentsorger Trienekens 1999 mit Bietmanns Rechtsanwaltskanzlei abgeschlossen hat. Der soll der Sozietät jährliche Einnahmen von rund 100.000 Euro beschert haben. Dadurch könnte Bietmann bei Abstimmungen zum Beispiel über den Bau der Müllverbrennungsanlage und die Teilprivatisierung der Müllabfuhr befangen gewesen sein, vermuten die Fahnder.

Im Jahr nach Abschluss des Beratervertrages übernahm Trienekens 49,9 Prozent der Abfallwirtschaftsbetriebe der Stadt Köln. Die Teilprivatisierung war damals politisch umstritten, weil sie ohne Ausschreibung erfolgt war. Zudem hatte ein Konkurrenzunternehmen wesentlich mehr geboten als die 30 Millionen Euro von Trienekens. Über Beraterverträge mit dem Viersener Müllmulti war bereits im Februar der Kölner CDU-Ratsherr Heinz-Ludwig Schmitz gestolpert. Der frühere Konzernchef Hellmut Trienekens, CDU-Mitglied, ist einer der Hauptbeschuldigten im Kölner Müllskandal.

Bietmann zeigte sich gegenüber der taz empört über das Vorgehen der Kölner Staatsanwaltschaft. Der Beratervertrag seiner Anwaltskanzlei mit Trienekens sei juristisch nicht zu beanstanden. Die Vermutung der Staatsanwaltschaft, es habe keine anwaltlichen Gegenleistungen für die Honorarzahlungen gegeben, sei "absurd", so Bietmann wörtlich. Durch geltende Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sei das Engagement eines Kanzleikollegen gedeckt, sagte Bietmann: "Ein Partner meiner Sozietät kann jederzeit tätig werden, selbst wenn ein Beratungsverbot für mich persönlich vorliegt." Er selbst habe keine Trienekens-Aufträge gehabt. Man werde den Ermittlern alle Unterlagen zur Verfügung stellen. In Bietmanns Sozietät arbeiten rund 150 Mitarbeiter, darunter 33 Anwälte, fünf Steuerberater und Wirtschaftsprüfer.

Bietmann, der seit 28 Jahren im Rat sitzt und auch noch Aufsichtsratsvorsitzender der Stadtwerke Köln und der GEW Rhein-Energie ist, gilt als der starke Mann der Kölner CDU - und als Architekt der schwarz-grünen Koalition in der Millionenstadt. Nach einer ersten öffentlichen Diskussion über den Trienekens-Beratervertrag hatte der 49-Jährige Anfang des Monats angekündigt, sich als Fraktionschef bis Ende Juli zurückziehen zu wollen. Als Grund gab er an, sich ganz auf sein 2002 errungenes Bundestagsmandat konzentrieren zu wollen.


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