02.07.2003

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taz

*   Sie bleiben doch zusammen 
Von Pascal Beucker

Die Koalitionskrise in NRW ist beigelegt. Was bleibt, ist ein Sieg für die Grünen. Und die Frage: Was wollte Peer Steinbrück (SPD) eigentlich erreichen?

Zum Abschluss durfte Peer Steinbrück doch noch "Rot pur" genießen: einen Barone Ricasoli Casalfero. Bei Il Portone, dem Hausitaliener des Düsseldorfer Stadttors, stieß der Regierungschef mit seinem Stellvertreter Michael Vesper, anderen Spitzengrünen und dem SPD-Landeschef Harald Schartau kurz nach Mitternacht am frühen Dienstagmorgen auf das Ende der rot-grünen Koalitionskrise an. Ein erstaunlicher Ausklang eines kuriosen Streits.

Denn als Steinbrück Mitte Mai verkündete, einen "ergebnisoffenen Klärungsprozess" über die Fortsetzung der Koalition einzuleiten, hätte niemand mehr einen Pfifferling auf das rot-grüne Bündnis vom Rhein gesetzt. Zu eindeutig waren die Signale des Hanse-Exports: Mit diesen obernervigen grünen "Bremsern" geht es nicht mehr. Davon will er inzwischen nichts mehr wissen. Gemeinsam ging der übermüdet wirkende SPD-Ministerpräsident gestern mit der grünen Landesumweltministerin Bärbel Höhn vor die Presse, um ungewohnte Harmonie zu demonstrieren: "Rot pur" - nein, kein Wort mehr davon. Stattdessen sagte Steinbrück: "Dass sich in einer Koalition eine Farbmischung ergibt, ist völlig klar." Nur wenn Höhn sprach, verriet sein Gesichtsausdruck, dass aus den beiden wohl nie ein Liebespaar werden wird.

Ohne konkreten Anlass, aber offensichtlich in Torschlusspanik aufgrund desolater Umfragewerte für ihn und seine Partei hatte Steinbrück zum "Befreiungsschlag" ausholen wollen. Doch was nach seinem eineinhalbmonatigem Crashkurs gegen den kleinen Koalitionspartner bleibt, ist Verwunderung.

Die Grünen können sich freuen

Tatsächlich können sich vor allem die Grünen freuen. Denn das "Düsseldorfer Signal für Erneuerung und Konzentration", das gestern in der Staatskanzlei vorgestellt wurde, hat einen unübersehbaren grünen Einschlag - und zwar nicht nur in Sachen Metrorapid, dessen Beerdigung Steinbrück bereits am Freitag bekannt gab. Höhn sprach denn auch von einem "guten Papier, dass wir zustande gebracht haben". So hatte noch vor Beginn der Krise die SPD gegen ein geplantes Gas- und Dampfturbinenkraftwerk Front gemacht, weil sie die Kohlekraftwerke bedroht sah. Nun heißt es, die Landesregierung werde sich gegenüber der Bundesregierung dafür einsetzen, "dass in NRW ein hocheffizientes GuD-Kraftwerk entstehen kann".

Auch beim letzten Streitpunkt, der Kohlepolitik, können die Grünen zufrieden Bilanz ziehen. Sie einigten sich mit der SPD darauf, dass der Steinkohleabbau von derzeit 26 Millionen auf 18 Millionen Tonnen im Jahr 2012 reduziert werden soll. An der damit verbundenen Absenkung der Steinkohlebeihilfen soll das Land vom Jahr 2006 an mit jährlich 40 Millionen Euro beteiligt werden. Die SPD hatte ursprünglich eine jährliche Absenkung des Landesanteils von 30, die Grünen von 50 Millionen Euro gefordert. Ein Kompromiss zu Lasten des Bundes: Für diesen ergibt sich eine Mehrbelastung von 420 Millionen Euro über sechs Jahre. Dafür gebe es auch bereits eine politische Zusage der Bundesregierung, so Höhn.

Ein strikter Sparhaushalt für 2004/2005, der gravierende Einschnitte vor allem im öffentlichen Dienst und in der Verwaltung vorsieht, wurde ebenfalls einvernehmlich vereinbart. Auf Vorschlag der Grünen soll die Wochenarbeitszeit für Beschäftigte des öffentlichen Dienstes von derzeit 38,5 auf grundsätzlich 41 Stunden erhöht werden. Das Weihnachtsgeld soll schon in diesem Jahr gesenkt, das Urlaubsgeld ab 2004 gestrichen werden. Die Lehrer sollen eine Stunde mehr unterrichten. Grüne Zugeständnisse sind die Zustimmung zu einem Kapazitätsausbau des Flughafens Düsseldorf unter Berücksichtigung entsprechender Lärmschutzmaßnahmen und das Einverständnis mit einer schnellen Schließung von Lücken in den Autobahnen A 1 und A 33 spätestens ab Mai 2005.

Auch wenn Steinbrück versuchte, gute Miene zum bösen Spiel zu machen, und vehement bestritt, in Berlin "Disziplinarunterricht" erhalten zu haben: Nach den Turbulenzen der vergangenen Wochen bleibt nun ein angeschlagener Regierungschef zurück, der von der Magnetschwebebahn in die S-Bahn umsteigen musste, um eine Koalition zu erhalten, die er beenden wollte, aber nicht durfte. Für die Landtagsopposition steht denn auch fest, dass er der große Verlierer ist. "Vor dem Streit war Steinbrück unbekannt und unbeliebt, jetzt ist er bekannt und blamiert", so CDU-Fraktionschef Rüttgers. Tatsächlich dürfte für Steinbrück eine Lehre bleiben, mit der er gestern das Aus für den Metrorapid begründete: "Man muss lernen, sich Realitäten zu stellen."


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