05.08.2003

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taz

*   Falscher Brennstoff am falschen Ort 
Von Pascal Beucker

Der Streit um ein hocheffizientes Gaskraftwerk bei Köln hat nun auch die Bundesregierung erreicht: Wirtschaftsminister und Kohlelobbyist Wolfgang Clement (SPD) spielt offenbar auf Zeit, um den Bau für den Betreiber unrentabel zu machen.

Wenn es um Kohle geht, lässt sich Wolfgang Clement (SPD) auch nicht von seinem Partei- und Regierungschef aus der Ruhe bringen. Bis Anfang August, so hatte Bundeskanzler Gerhard Schröder abgeordnet, sollte sich der Bundeswirtschaftsminister mit Umweltminister Jürgen Trittin (Grüne) und Finanzminister Hans Eichel (SPD) auf die Ausführungsbestimmungen zum Mineralölsteuergesetz einigen. Doch Clement blockt ab. Laut Spiegel verweigert er seine Unterschrift zu einem von Eichel vorgelegten und von Trittin befürworteten Verordnungstext. Offensichtlich setzt er auf Zeit, um zu verhindern, dass ein Gaskraftwerk an Rhein und Ruhr mit heimischer Kohle befeuerten Meilern Konkurrenz macht.

Der Energiekonzern InterGen will in Hürth bei Köln ein hocheffizientes Gas- und Dampfturbinenkraftwerk (GuD) bauen. Die Pläne für das 500-Millionen-Euro-Projekt stehen jedoch auf der Kippe, falls sich die Bundesregierung nicht bis Mitte August auf die Durchführungsbestimmungen verständigt: Nach dem Mineralölsteuergesetz muss das Kraftwerk bis 11. März 2006 ans Netz gehen, um die auf 5 Jahre befristete Steuerbefreiung zu bekommen. Doch schon die reine Bauzeit beträgt 24 Monate.

InterGen ist ein Joint-Venture des britisch-niederländischen Ölmultis Shell (68 Prozent) mit dem US-amerikanischen Anlagenbauer Bechtel (32 Prozent). In Hürth will das Unternehmen eine GuD-Anlage mit einer Leistung von 800 Megawatt bauen. Die Baugenehmigung dafür liegt seit Mitte vergangenen Jahres vor. Die Gasturbinen würde Siemens in Mülheim an der Ruhr fertigen, das Erdgas käme voraussichtlich aus der Nordsee. Insgesamt sollen 50 dauerhafte Arbeitsplätze direkt im Werk, weitere 100 indirekt durch Dienstleistungen entstehen.

GuD-Anlagen gelten als die derzeit effizienteste Form der Stromerzeugung. In den Kraftwerken wird mit der noch heißen Abluft aus den Gasturbinen eine weitere Dampfturbine angetrieben, die Strom produziert. Für einen gestandenen Kohlelobbyisten wie Clement würde ein solches High-Tech-Kraftwerk in Hürth den falschen Brennstoff am falschen Ort verbrennen - Erdgas statt Kohle. So streitet er sich seit Monaten mit dem Grünen Trittin. Knackpunkt ist der Wirkungsgrad des Kraftwerks: Nur wenn er mindestens 57,5 Prozent erreicht, ist es von der Mineralölsteuer befreit - und nur dann rechnet es sich.

Bei dem Streit geht es um das Messverfahren: Das Umweltministerium will den Wirkungsgrad mit Hilfe einer so genannten Referenzanlage bestimmen, um Standortnachteile auszuschließen: Die Effizienz der jeweiligen Energieumsetzung ist wetter- wie standortabhängig. Der Wirkungsgrad sinkt mit steigender Umgebungs- oder Kühlwassertemperatur und abnehmendem Luftdruck - und das kann die entscheidenden Zehntelprozent für die Steuerbefreiung kosten. Clement will vor Ort und jährlich messen lassen.

Schon zu seiner Zeit als NRW-Ministerpräsident hatte der jetzige Wirtschaftsminister vehement gegen GuD-Anlagen Front gemacht. So erinnert sich ein Verhandlungsteilnehmer noch gut daran, was Clement bei den Düsseldorfer Koalitionsverhandlungen 2000 auf entsprechende grüne Begehrlichkeiten erwiderte: "Die Dinger will ich hier nicht sehen!"


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