09.09.2003

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*   KOMMENTAR: Ergiebig war die Quelle nicht 
Von Pascal Beucker

Wallraff und die Stasi: Nicht alle Zweifel sind ausgeräumt.

Auch mit seiner gestrigen Pressekonferenz konnte Günter Wallraff nicht endgültig den Verdacht ausräumen, mit der Stasi paktiert zu haben. Aber wie hätte er auch? So werden die Springer-Gazetten weiter auf ihren Lieblingsfeind einprügeln.

Die Akten auf Plausibilität abzuklopfen und Ungereimtheiten aufzuzeigen ist ihm gelungen - jedenfalls in Bezug auf den Statistikbogen, in dem er noch 1988 als IM "Wagner" geführt und als "vertrauenswürdig" eingeschätzt wurde. Die offensichtlichen Fehler in dem Bogen sprechen für Schlamperei: Seit Anfang der 1970er-Jahre ist er ohne weitere Überprüfung mitgeschleppt worden.

Ob Wallraff jedoch von 1968 bis 1971 wissentlich der Stasi zugearbeitet hat, wird sich nicht aufklären lassen. Er selber lieferte für seine Treffen mit IM "Friedhelm" einleuchtende Erklärungen - trotzdem könnte es auch anders gewesen sein. Die Berichte jedenfalls, auf die die Einträge in der elektronischen Posteingangsdatei hinweisen, sind längst vernichtet. Nur eines lässt sich an den gerade einmal sechs Einträgen eindeutig ablesen: Ergiebig war die "Quelle" Wallraff nicht.

In einem dritten Punkt wiederum herrscht Klarheit: Der Schriftsteller räumt ein, Material aus der DDR erhalten zu haben. Aber dass er sich in Desinformationskampagnen einspannen ließ, lässt sich nicht belegen. Und er hat Recht, wenn er feststellt, es sei ein Versagen der Bundesrepublik gewesen, dass Journalisten sich aus DDR-Archiven über die NS-Karrieren hochangesehener BRD-Bürger informieren mussten.

Spätestens seitdem Wallraff Biermann nach dessen Ausbürgerung bei sich aufnahm, war der Stasi klar, dass mit ihm kein realsozialistischer Staat zu machen war. Eindeutige Aussagen finden sich auch in den Akten von Stasi-Opfern wie in der des inzwischen verstorbenen Schriftstellers Jürgen Fuchs. In dessen Akte kommt Wallraff seit 1975 als "operativ interessierende Person" vor, die zu bespitzeln und zurückzudrängen sei. Genau ab hier wird der Fall Wallraff tatsächlich zu einem deutsch-deutschen: Denn diese Charakterisierung hätte genauso gut in den Unterlagen des bundesdeutschen Verfassungsschutzes stehen können. Vielleicht tun sie es ja auch.


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