13.10.2003

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taz

*   Merkel teilt aus - und steckt ein: einen Preis 
Von Pascal Beucker

Rebellen gibt es auch in der Union: den Arbeitnehmerflügel CDA. Nur mit seinem Rebellentum ist es nicht weit her.

Ein seliges Lächeln gleitet über das Gesicht von Walter Haas. "Schön, dass Sie uns besuchen", säuselt der Chef des nordrhein-westfälischen DGB in Richtung Angela Merkel. Neben der CDU-Chefin am DGB-Stand steht Hermann-Josef Arentz. Auch der Vorsitzende der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA) strahlt wie ein Honigkuchenpferd. "Das ist eine bärenstarke Veranstaltung hier", sagt Haas zu ihm. Kein kritischer Ton trübt den Smalltalk.

Warum auch, gehörte doch der DGB NRW zu den "Goldsponsoren" des "Innovationskongresses" der CDU-Sozialausschüsse am vergangenen Freitag in Bonn. Dessen abendlicher Höhepunkt: die Verleihung des CDA-"Zukunftspreises" an Angela Merkel. Weil ihr Name "für die energische Modernisierung der CDU und ihrer Programmatik" stehe, wie es in der Begründung der Jury heißt. Die Preisverleihung sei zu verstehen als "Ermunterung, den eingeschlagenen Weg mutig weiterzugehen".

War da nicht was? Lehnen nicht der DGB wie auch die CDA vehement die von Merkel so energisch verfochtenen Vorschläge der Herzog-Kommission zum Umbau der Sozialsysteme ab? Hat nicht unlängst Arentz seiner Parteichefin sogar noch vorgeworfen, sie habe "ein fragwürdiges Verständnis von sozialer Gerechtigkeit"? Nein, solche Despektierlichkeiten kommen ihm an dem Abend im alten Bonner Bundestag nicht über die Lippen. "Wir haben für Sie den richtigen Stuhl reserviert: den Kanzlerstuhl", sagt er stattdessen. Vor "genau einem Jahr und zwei Tagen" habe sich die CDA für die Preisträgerin entschieden. "Hätten wir gestern zu entscheiden gehabt, wir hätten genauso entschieden", so Arentz. Merkel ist gut gelaunt. Die Höhle des Löwen sieht anders aus.

"Der Preis passt zu mir, zumindest gefällt er mir - das ist ja auch schon eine Menge", juxt Merkel. Dann doziert sie wie eine Lehrerin vor etwas begriffsstutzigen Schülern über die Herzog-Pläne. Gegenüber der handzahmen innerparteilichen Opposition gibt sie sich generös: Jeder in der CDU versuche, "eine gerechte, solidarische, freiheitliche Lösung" zu finden. "Ich freue mich über diese Diskussion", so Merkel. "Und ich sage Ihnen ausdrücklich: Mahnen Sie uns!"

Doch danach stand an diesem Abend nur einer der Sinn: Brigitte Grosse. Als Merkel schon im Begriff ist, den DGB-Stand in Richtung des nächsten Sponsoren zu verlassen, fasst sich die Vize-DGB-Landeschefin ein Herz. "Ich habe im Augenblick viele Probleme mit meiner Partei", sagt sie zu Merkel. "Das glaube ich", antwortet die kurz angebunden. Und schon ist sie weitergezogen zum Bittburger-Stand, um dort mit dem immer noch strahlenden Arentz ein Pils zu trinken. "Kann das das letzte Bier sein, dass Sie gemeinsam trinken?", ruft ein Journalist den beiden zu. "Mit Sicherheit nicht", antwortet Merkel und lacht.


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