Erwin K.
Scheuch ist tot. Der Korruptionsforscher hat auch seine Parteifreunde
von der CDU nicht geschont.
Solch eine
Allianz hätte sich Erwin K. Scheuch vor ein paar Jahren
wahrscheinlich nicht vorstellen können: Gestützt von seiner Frau Ute
auf der einen und auf einen Stock auf der anderen stand der
emeritierte Kölner Soziologieprofessor im Februar auf der Deutzer Brücke
- in einer Menschenkette gegen den Irakkrieg. Sichtlich irritiert
schaute er immer wieder auf eine Gruppe Jugendlicher, die eine große
rote Fahne schwenkten: Anhänger einer türkischen maoistischen
Organisation, die offensichtlich nicht wussten, mit wem sie dort
zusammenstanden.
Scheuch mit
Linken in einer Reihe? In den späten 1960er- und in den 1970er-Jahren
wäre dies für beide Seiten undenkbar gewesen. Damals, als er in
unerbittlicher Gegnerschaft zu Habermas die Kölner Soziologie als
Gegenpol zur Frankfurter "Kritischen Theorie" positionierte.
Damals, als er die antiautoritäre Studentenbewegung als Bedrohung der
Demokratie sah. Ursprünglich eher linksliberal, sah Scheuch die
aufbegehrenden Studenten als gefährliche "Wiedertäufer der
Wohlstandsgesellschaft", zu deren Bekämpfung er den
erzkonservativen "Bund Freiheit der Wissenschaft" mitgründete.
Der studentischen Linken wiederum erschien der empirische
Sozialforscher nur als ein verhasster unverbesserlicher Antikommunist
und Reaktionär. Schon die Erwähnung seines Namens ließ bei nicht
wenigen die Zornesröte ins Gesicht steigen.
Wer Erwin K.
Scheuch in den letzten Jahren persönlich erlebt hat, der kann sich
die harten Gefechte von einst nur noch schwer vorstellen. So pflegte
er zur taz, besonders ihrer Kölner Redaktion, ein beinahe
freundschaftliches Verhältnis und stand immer wieder zu Interviews
oder für Gastkommentare zur Verfügung. Wortreich nahm er zu den
Themen Stellung, die ihn seit den späten 1980er-Jahren maßgeblich
umtrieben: Parteienfilz, Ämterpatronage und politische Korruption -
speziell der "kölsche Klüngel". Aus dem
"Linkenfresser" mit CDU-Parteibuch war ein exponierter
Parteienkritiker und Korruptionsforscher ohne Berührungsängste
geworden. Politische Rücksichtnahmen kannte er nicht, wie besonders
seine Kölner Parteifreunde in dem 1992 veröffentlichten
Rororo-Aktuell-Band "Cliquen, Klüngel und Karrieren"
schmerzhaft nachlesen mussten. Das Buch, das er - wie viele andere
Werke - zusammen mit seiner Frau verfasst hatte, wurde ein Bestseller.
Seiner
konservativen Grundeinstellung blieb Scheuch bis zuletzt treu. Die CDU
allerdings verließ der kleine Mann mit dem charakteristischen
Schnauzbart 1997 nach 25-jähriger Mitgliedschaft. Damit protestierte
er gegen den Umgang der Union mit der Dienstflügeaffäre der
damaligen Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth. Aus seiner Sicht
verharmloste die Partei die Affäre.
Erwin K.
Scheuch starb in der Nacht zum Montag in der Kölner Universitätsklinik
im Alter von 75 Jahren an Krebs. |