20.02.2002

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taz

*   Ein ganzes Jahr im Müll
Von Pascal Beucker

Der Skandal um die Kölner Müllverbrennungsanlage jährt sich. Vorzeigegenossen mussten ihren Hut nehmen. SPD-Aufklärung klammerte "Danke-Schön-Spenden" aus.

Wie Manfred Biciste dieses Jahr seinen Geburtstag begehen wird? Sicher nicht so feuchtfröhlich wie noch am 1. März 2002, als er Ratsherr und Schatzmeister der Kölner SPD war. Nur einer war seinerzeit nicht richtig in Stimmung: der Ratsfraktionschef und Landtagsabgeordnete Norbert Rüther. Schwer betrunken machte Rüther sonderbare Andeutungen: „Da kommt noch richtig was auf mich zu.“ Am darauffolgenden Montag wussten seine Parteifreunde, was das Präsidiumsmitglied der NRW-SPD gemeint hatte: Da war er von allen Ämtern zurück- und aus der SPD ausgetreten.

Er hatte einen Skandal hinterlassen, der seine Partei bundesweit erschütterte und bis heute nicht restlos aufgeklärt ist. Die ursprünglich für Ende 2002 erwartete Anklageerhebung gegen die Hauptbeschuldigten verzögert sich, weil die Ermittler immer wieder auf neue Spuren stoßen. Auch in den vergangenen Wochen führte die Staatsanwaltschaft Hausdurchsuchungen durch und nahm einen Verdächtigen fest.

In der Hauptsache geht es um den Bau der Kölner Müllverbrennungsanlage (MVA), bei dem in den 90ern geschmiert wurde. Nach Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft soll der MVA-Generalunternehmer, der Gummersbacher Anlagebauer L&C Steinmüller, über Scheinfirmen „verabredungsgemäß“ drei Prozent des Auftragsvolumens gezahlt haben, insgesamt 21,6 Millionen Mark. Davon sollen 9,5 Millionen Mark an den damaligen Geschäftsführer der halbstädtischen Abfallentsorgungs- und Verwertungsgesellschaft AVG Ulrich Eisermann (SPD) gezahlt worden sein. Außerdem im Zentrum des Schmutzgeschäfts: der Viersener Müllmogul Hellmut Trienekens, der langjährige SPD-Strippenzieher Karl Wienand und eben Rüther. „Eisermann wird Bestechlichkeit vorgeworfen, den vier anderen Bestechung oder Beihilfe zur Bestechung“, sagt die Kölner Oberstaatsanwältin Regine Appenrodt.

Und dann gibt es da noch das System der „Danke-schön-Spenden“, mit dem die Kölner SPD bei Firmen abkassierte, nachdem diesen lukrative städtische Großaufträge zugeschanzt worden waren – auch im Zusammenhang mit der MVA. So umfasst eine Liste, die Rüther nach Aufdeckung des Skandals seiner Partei schickte, 14 „Danke-schön-Spenden“ von neun Firmen, die 1994 bis 1999 830.000 Mark zahlten – mit dabei Steinmüller und Trienekens. Der Großteil des schwarzen Geldes floss in die Parteikasse. Dort stückelte sie Schatzmeister Biciste in nicht veröffentlichungspflichtige Kleinspenden von 500 bis 6.000 Mark und stellte dafür fingierte Spendenquittungen an Parteimitglieder aus.

Mit dem System sollte sichergestellt werden, bei Aufdeckung nicht Bestechungsvorwürfen ausgesetzt zu sein. Rüther will es von seinen Vorgängern nur übernommen haben. Ingesamt, so Rüther vor der Staatsanwaltschaft, habe er als SPD-Ratsgeschäftsführer 30 bis 35 „Danke-schön-Spenden“ empfangen. Aber die SPD, deren Landeschef Harald Schartau „gnadenlose Aufklärung“ versprochen hatte, interessiert sich bis heute weder für die Namen der weiteren Spender, noch dafür, welche Gegenleistungen sie bekommen haben.

Manfred Biciste wird seinen Geburtstag wohl ohne seine Genossen feiern müssen. Und Norbert Rüther, nur gegen Kaution auf freiem Fuß, wird auch nicht kommen. Er geht nach dem Ende seiner SPD-Karriere wieder einer anständigen Betätigung nach: als Facharzt für Psychiatrie. Träger der Klinik ist die gemeinnützige Gesellschaft der Franziskanerinnen zu Olpe – die hat ein Herz für reuige Sünder.


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