08.05.2003

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taz

*   Wildes, wildes Weidenpesch
Von Pascal Beucker und Frank Überall

Hundekot auf dem Grabstein meines Mannes: Für die Weidenpescher SPD steht der Hauptfeind in der eigenen Partei. Jetzt ist Anke Brunn ins Kreuzfeuer geraten. Ob zu unrecht, klärt vielleicht ein Gericht.

Die Kölner SPD kommt nicht zur Ruhe. Mit Anke Brunn und Donata Reinecke stehen nun zwei Landtagsabgeordnete im Visier der Ermittler, die bisher als unbescholten galten. Gestern hat die Kölner Staatsanwaltschaft ein Verfahren gegen die beiden Politikerinnen eingeleitet. Der Verdacht: Steuerhinterziehung und Beihilfe zum Betrug zum Nachteil des Bundestages. Um die Aufhebung ihrer Immunität war der Landtagspräsident bereits vergangene Woche gebeten worden.

Der Anstoß für die Ermittlungen kam von "August Bebel" - ausgerechnet den Namen des ersten SPD-Vorsitzenden wählte sich ein Anonymus, um im März per E-Mail unter anderem an den Landtagspräsidenten "über einen Vorgang zu unterrichten, der mir äußerst wichtig erscheint und unverzüglich der Aufklärung bedarf": Die Anmietung eines Bürgerbüros des SPD-Ortsvereins Weidenpesch von 1997 bis 2002. Das hierbei angewendete Finanzierungssystem erscheine ihm "als ein sehr raffinierter Kunstgriff", mit dem Brunn "die Finanzierung ihres Bürgerbüros über die Kasse des Ortsvereins Weidenpesch hat abwickeln lassen, um auf diese Weise für die Verwendung ihrer steuerfreien Pauschale Spendenquittungen zu erhalten, um mit deren Hilfe ihre Einkommensteuerlast zu reduzieren", so der Insider, der selber "über einen längeren Zeitraum mit den Fragen der Finanzen der Kölner SPD auf Unterbezirksebene befasst" gewesen sein will.

Seine "Offenbarung" hat aber wohl weniger aufklärerische Motive, sondern ist vielmehr nur der Höhepunkt einer bereits seit Jahren dauernden parteiinternen Schlammschlacht, bei dem die Weidenpescher Genossen mit immer ruppigeren Mitteln aufeinander einprügeln. Es sind keine politischen Flügel, sondern Seilschaften und Kumpaneien, die sich hier befehden - und das mit vollem Einsatz: Anonyme Denunziationen gehören genauso dazu wie die Beantragung von Parteiordnungsverfahren. Da werden auch schon mal Gegner mit Redeverboten aus Sälen gewiesen oder wird durch "spontane" Masseneintritte versucht, Vorstandswahlen zu gewinnen. Von "Gemetzel" ist die Rede und einer "Afghanisierung" des Ortsvereins. Eine Genossin warf der Gegenseite sogar vor, Hundekot auf das Grab ihres Mannes geschmiert zu haben.

Beim Kölner Unterbezirksvorstand füllt sich mittlerweile ein ganzer Aktenordner mit Beschwerdebriefen. "Die 47 anderen Ortsvereine haben die Schnauze voll", sagt Parteichef Jochen Ott. Doch ein wirksames Mittel zur Pazifizierung der Weidenpescher Streithälse hat auch er noch nicht gefunden.

Im Mittelpunkt des Chaos steht der erst im März auf einer mal wieder turbulenten Sitzung wiedergewählte umstrittene SPD-Ortsvereinschef Günther Jikeli. Seine Widersacher vermuten ihn denn auch hinter der anonymen Denunziation Brunns. Jikeli bestreitet dies vehement. Was für seine Version spricht: "Der Umstand, dass ich mich anonym an Sie wende, ist darauf zurückzuführen, dass ich beruflich nicht unabhängig von den politischen Größen in Köln bin", hatte "August Bebel" geschrieben. Jikelis Dienstvorgesetzte hingegen ist die Grüne Renate Künast: Er arbeitet im Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft (BMVEL). So verschickt er schon auch mal seine Presseerklärungen als Ortsvereinschef mit dem Absender seiner dienstlichen E-Mailadresse Jikeli@BMVEL.BUND.DE.


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