Das Kölner
Urgestein Hans-Jürgen Wischnewski (81) reist demnächst auf libyschen
Wunsch als Berater in das Reich Gaddafis. Der SPD-Grande mit dem großen
diplomatischen Geschick genießt hohes Ansehen in der arabischen Welt.
Ein kleines
unscheinbares Buch mit grünem Einband steht im Bücherregal der
Wohnung von Hans-Jürgen Wischnewski: ein Exemplar des legendären
"Grünen Buchs" von Muammar el Gaddafi - mit persönlicher
Widmung des libyschen Revolutionsführers. Demnächst könnte das
Urgestein der Kölner SPD den Autoren wiedertreffen. Denn Ben Wisch
zieht es aus seinem Einfamilienhauses in Köln-Hahnwald wieder in die
Wüste. "Ich werde in überschaubarer Zeit nach Libyen
gehen", sagte der mittlerweile 81-Jährige der taz. Er sei
"von libyscher Seite angesprochen worden", so Wischnewski.
Vorrangig dürfte
es bei seinem Trip in den nordafrikanischen Staat um ein Großprojekt
gehen, das möglicherweise zusammen mit deutschen Unternehmen
realisiert werden soll: Die libysche Regierung plant den Bau einer
2.000 Kilometer langen Eisenbahnstrecke. An dem Projekt ist unter
anderem auch eine Tochter der Deutschen Bahn interessiert. Daneben
will sich der "Held von Mogadischu", der sich unlängst
bereits mit einem der beiden Söhne Gaddafis im Berliner Hotel Adlon
getroffen hatte, über die Entwicklungen in der Wüstendynastie
informieren.
"Es gibt
hoffnungsvolle Veränderungen", so Wischnewski. So hofft er auch
auf eine Entspannung des äußerst angespannten Verhältnisses Libyens
zu Israel: "Ich kann mir vorstellen, dass zumindest der Status
erreicht wird, wie ihn die anderen arabischen Staaten auch
haben." Uber innerlibysche Demokratisierungsprozesse will er sich
hingegen "erst ein Urteil erlauben, wenn ich dort bin". Auf
jeden Fall werde er den libyschen Stellen gerne seinen Rat geben, wenn
er gefragt sei.
Zu Libyen,
wie auch zu etlichen anderen Staaten im Nahen Osten, unterhält
Wischnewski seit Jahrzehnten gute Beziehungen. So betont der frühere
Entwicklungshilfeminister (1966-69), Staatsminister des Auswärtigen
(1974-1976) und im Kanzleramt (1976-1982), dass er "auch in
schwieriger Zeit Kontakte gehalten" habe.
Der langjährige
Kölner Bundestagsabgeordnete mit dem großen diplomatischen Geschick
genießt in der gesamten arabischen Welt bis heute hohes Ansehen, das
in seiner aktiven Solidaritätsarbeit für den algerischen
Freiheitskampf gegen die französische Kolonialmacht in den Fünfziger-
bis Anfang der Sechzigerjahre begründet ist. So organisierte er als Kölner
Juso-Bezirksvorsitzender und später als Parteichef der Domstadt-SPD
gemeinsam mit seinem "Arbeitskreis der Freunde Algeriens"
seinerzeit Geldsammlungen auch für militärische Hilfe der
algerischen Befreiungsbewegung FLN.
Bedenken
wegen der strapaziösen Reise hat der Ehrenbürger Bethlehems trotz
mehrerer Hüftoperationen, zwei Herzinfarkten und schwerer Rückenbeschwerden
nicht. Nachdem der zur Zeit noch an einen Rollstuhl Gefesselte drei
Jahre lang nicht mehr in ein Flugzeug gestiegen sei, habe er erst kürzlich
mit einem Flug von Köln nach München ausprobiert, ob das noch
funktioniert. Es funktionierte. Wischnewski: "Und nach Libyen
dauert es ja auch nur drei Stunden." |