19.12.2003

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taz

*   KOMMENTAR: Perverse Logik
Von Pascal Beucker

Liberal und weltoffen - damit werben die Kölner und besonders die sie repräsentierenden Politiker gerne für ihre Stadt. Jetzt hat sich mal wieder gezeigt: nichts als leeres Geschwätz für warme Tage. Denn wenn es kalt wird, gefriert auch der Humanismus in der Domstadt. Anders jedenfalls lässt sich die unwürdige polizeiliche Menschenjagd nicht beurteilen, die das Ausländeramt am Mittwoch in 24 Flüchtlingsheimen veranstalten ließ.

Was für eine perverse Logik: Da verfügt das nordrhein-westfälische Innenministerium einen befristeten Abschiebestopp nach Serbien und Montenegro für die Winterzeit, weil "Kinder von Roma-Familien bei einer zwangsweisen Rückführung auf Verhältnisse treffen, in denen sie schwere Gesundheitsschäden erleiden". Und was geschieht? Schnell noch vor dem Stichtag 22. Dezember ab in den Flieger mit den Unerwünschten. Was aus ihnen wird - was schert es einen deutschen Beamten. So stellen sich die Verantwortlichen in die Tradition jener, für die Menschlichkeit auch stets nur in Gottesdienst-Predigten eine Rolle spielte. Und die nachher von nichts gewusst haben wollen.

Aber warum sollten sie auch anders handeln? Gut, die Grünen mucken ein bisschen - nicht übermäßig, darf doch die schwarz-grüne Koalition nicht durch falsche Gefühlsduselei gefährdet werden. Und erwartungsgemäß protestieren Flüchtlingsrat und Rom e.V.. Das war's dann aber auch an zivilgesellschaftlichen Regungen. Der Aufschrei der Kölner Bevölkerung bleibt aus. Wie nicht anders zu erwarten, wird sie doch seit Monaten durch reißerische Storys über marodierende Roma-"Klau Kids" in die richtige Weg-damit-Stimmung gebracht. Nicht zufällig hat die FDP ihre Presseerklärung zu der Abschiebeaktion im Internet ausgerechnet mit jenem "Klau Kids"-Titelbild des Express vom August vergangenen Jahres garniert, für das sich der Verleger Alfred Neven DuMont öffentlich entschuldigen musste, um einer Presserat-Rüge zuvorzukommen.

Womit eine weitere Spezialität Kölner Liberalität nicht unerwähnt bleiben kann: die hiesige FDP. Im persönlichen Umgang durchaus sympathisch, schlagen deren Frontmänner Ralph Sterck und Ulrich Breite beim Thema Flüchtlinge einen Ton an, den man ansonsten nur aus einschlägigen Kreisen kennt. So begrüßten die beiden Vorzeigeliberalen denn auch geradezu euphorisch die Abschiebeaktion, ganz so als habe es sich hierbei um einen heroischen Schlag gegen Schwerstverbrecher gehandelt: "Köln kann ein Stück aufatmen; mit der Ausweisung dieses Personenkreises wird unsere Stadt wieder ein wenig sicherer." Und: "Die Kriminalität war durch illegal eingereiste Personen der Kölner Bevölkerung nicht mehr zuzumuten." Solche Sprüche kennt man sonst nur von "pro Köln". Aber eine Stadt, in der solch ein "liberaler Geist" weht, braucht keine Rechtsradikalen mehr. Übrigens: Gerade mal zwei der Abgeschobenen galten als "Klau Kids".


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