11.02.2004

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Jungle World

*   Benni, der Bürgerschreck
Von Pascal Beucker

Klaus Uwe Benneter wird der neue Generalsekretär der SPD. Auch Vertreter des früheren Stamokap-Flügels können offenbar in der Partei Karriere machen.

Klaus Uwe Benneter? »Den kenne ich nicht«, sagte Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU). Es sei ein Zeichen dafür, dass die SPD am Ende sei, wenn sie als neuen Generalsekretär auf ein so unbekanntes Gesicht zurückgreife. Aber wie sollte es der 45jährige Christdemokrat auch besser wissen? Als Benneters Gesicht erstmalig auf den Titelseiten der Zeitungen der Bundesrepublik erschien, hatte Althaus gerade sein Abitur in der DDR gemacht.

Damals war Benneter 30 Jahre alt, heute ist er 56. Auf die Frage, ob mit der überraschenden Nominierung des Berliner Bundestagsabgeordneten als Nachfolger des glücklosen, aber über zehn Jahre jüngeren Olaf Scholz nicht eine Chance zur Verjüngung vertan worden sei, antwortete der designierte SPD-Vorsitzende Franz Müntefering süffisant: »Es gibt Spätzünder und Frühzünder.« Benneter ist beides, wahrscheinlich prädestiniert ihn gerade das für seinen neuen Job.

Von dem gebürtigen Karlsruher stammen so schöne Sätze wie: »Zu unserem Willen, konsequent sozialistische Politik zu betreiben, gehört auch, dass wir die SPD insgesamt zu einer konsequent sozialistischen Partei machen wollen. Sicher gibt es da viele Hindernisse, aber wir werden unsere Positionen in die Partei hineintragen.« Das war zu einer Zeit, als das größte Hindernis für linke Politik in der SPD noch nicht Gerhard Schröder, sondern Helmut Schmidt hieß. Das Zitat ist nicht Benneters erstem Interview nach seiner Nominierung zum Generalsekretär durch den SPD-Parteivorstand am Samstag entnommen, sondern seinem letzten vor seinem Ausschluss aus der SPD. Es erschien 1977 in konkret.

Mit Benneter, bis dahin drei Jahre Stellvertreter der »Reformistin« Heidemarie Wieczorek-Zeul, war damals kurz zuvor erstmalig ein Repräsentant des so genannten Stamokap-Flügels zum Vorsitzenden der Jungsozialisten gewählt worden. Die CDU und die CSU seien »die Parteien des Klassengegners, während die Kommunisten unsere politischen Gegner, nicht aber die Klassenfeinde sind«, verkündete der gelernte Jurist damals und erntete für solche Despektierlichkeiten den Spitznamen »Benni Bürgerschreck«.

Die Folge war, dass die SPD Benneter zum Parteifeind Nummer eins erklärte. Wegen des konkret-Interviews wurde er von der SPD-Führung abgesetzt und aus der Partei geworfen. Neuer Vorsitzender der Jusos wurde Gerhard Schröder.

Der heutige Bremer SPD-Vorsitzende, Detlev Albers, der immer als der eigentliche Kopf der »Stamokaps« gegolten hatte, meinte im Rückblick einmal, Benneters Ausschluss habe »die unfreiwillige Geburtsstunde der Grünen symbolisiert«. Auf jeden Fall hatte der Vorgang eine weitreichende Disziplinierung der Jusos zur Folge, die zu einer Entradikalisierung und zu einem dramatischen Attraktivitätsverlust der Parteijugend führte.

Ausgerechnet derjenige, den Benneter jetzt beerben soll, ist dafür ein Musterbeispiel. Denn Olaf Scholz, von 1982 bis 1988 stellvertretender Juso-Vorsitzender, gehört zu jener vom Rausschmiss ihres einstigen Wortführers schockierten Generation orthodox-marxistischer Stamokapler, die alles vermieden, um der Parteiführung noch einmal einen Anlass für Sanktionen zu geben. Sie agierten nur noch als kühle Taktiker und Technokraten, was sie wegen ihrer autoritären Charaktere äußerst verfügbar für den Parteiapparat machte, wenn sie sich erst einmal von ihren marxistischen Phrasen verabschiedet hatten.

Der Begriff des »Staatsmonopolistischen Kapitalismus« ist längst in der Mottenkiste verschwunden. Die oppositionellen Nachwuchssozialdemokraten von heute bezeichnen sich inzwischen als »Juso-Linke«. Geradezu euphorisch begrüßte ihr Wortführer, der amtierende Juso-Vorsitzende Niels Annen, den angekündigten Wechsel an der Parteispitze: »Franz Müntefering verkörpert den politischen und emotionalen Mittelpunkt der SPD und ist die beste Wahl für das Amt des Parteivorsitzenden.« Mit ihm habe die SPD »die Chance, das verlorene Vertrauen in der Bevölkerung, aber auch die 40 000 Mitglieder, die die Partei im letzten Jahr verlassen haben, zurückzugewinnen.« Müntefering dürfte sich revanchieren. Schon als Vorsitzender der nordrhein-westfälischen SPD hatte er sich mit Vorliebe einstige »Juso-Linke« an seinen Hof geholt. Einer ist bereits in Berlin: Seit Anfang Januar arbeitet Annens Vorgänger Benjamin Mikfeld als Büroleiter des Bundesgeschäftsführers im Willy-Brandt-Haus.

Benneter selber durfte sechs Jahre nach seinem Rausschmiss und nach der Fürsprache Schröders bei Willy Brandt 1983 reumütig in die SPD zurückkehren. Seitdem ist er Schröders »Lieblingslinker«. Mit ihm weiß sich der Bundeskanzler nicht nur als Tennispartner die Bälle zuzuspielen. Denn Benneter hat seine Lektion gelernt: »Sechs Jahre war ich nicht organisierter Sozialdemokrat, das reicht fürs Leben.« Deshalb unterstützt er heute kompromisslos den »Reformkurs« Schröders, was seine bedeutendste Qualifikation für das Amt des Generalsekretärs sein dürfte, ihm allerdings eine Niederlage bei den Vorstandswahlen Ende vorigen Jahres auf dem SPD-Parteitag in Bochum bescherte. Er schnitt mit dem drittschlechtesten Ergebnis aller Kandidaten ab.

Als besonders parteischädigend in seinem konkret-Interview von 1977 wertete die SPD-Führung seinerzeit Benneters Aussage: »Für uns Jusos ist die Mitgliedschaft in der Partei kein Dogma, an dem wir nun in jedem Fall festhalten. Wir müssen sinnvoll mitarbeiten können. Wenn die Politik der Ultimaten Schule machen sollte, müssen wir uns freilich fragen, wie lange das noch geht.« Ein Satz von erstaunlicher Aktualität, denn nicht wenige der SPD-Mitglieder, die in den vergangenen Monaten die Partei verlassen haben, sind frühere Weggenossen Benneters. Sie überstanden die bleiernen Jahre unter Helmut Schmidt und auch die lange düstere Zeit sozialdemokratischer Opposition während der Kohl-Ära. Schröders Politik hingegen verkraften sie nicht mehr.

Wie konstatierte doch Benneter einst, als er es noch besser wusste und das Wort »Reform« noch keine Drohung war: »Die SPD wird in ihrem gegenwärtigen Zustand für einen absehbaren Zeitraum keine Partei mehr sein können, die durch ihre wegweisenden Beschlüsse und Taten wieder Orientierung auf Umgestaltung im Wege konsequenter Reformen geben könnte. Dazu sind die politischen Entschließungen zu perspektivlos, die erlaubten innerparteilichen Denkmöglichkeiten zu beschränkt und die überwiegende Parteimehrheit zu sehr auf die Absicherung des kapitalistischen Status quo ausgerichtet. Zudem hat die rechte SPD-Führung inzwischen ein Disziplinierungspotenzial entwickelt, das jederzeit erfolgversprechende Vorstöße konsequenter Sozialisten in der SPD im Keim ersticken kann.« Auch diese Feststellung ist aktueller denn je.


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