18.08.2004

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Jungle World

*   Vorwärts im Dreieck
Von Pascal Beucker

Renaissance der PDS.

Der Aufschrei ist groß. Frühere Bürgerrechtler der DDR regen sich auf über die »Ungeheuerlichkeit«, die Leipziger Montagsdemonstrationen von 1989 mit den heutigen Demonstrationen zu vergleichen. »Superminister« Wolfgang Clement beklagt sich: »Schon der Vergleich ist eine Zumutung, eine Beleidigung der historischen Montagsdemonstrationen und der Zivilcourage, die viele Ostdeutsche damals gezeigt haben.«

Nur ein prominenter Politiker stellt sich mutig an die Seite der Protestierenden: Lothar Bisky. Im Neuen Deutschland, das 1989 auch schon so hieß, sagte der Vorsitzende der PDS, es gebe tatsächlich »Parallelen« zu den Montagsdemonstrationen von einst: »Freiheit und Gerechtigkeit sind zwei Seiten ein und derselben Medaille menschenwürdigen Lebens. Da, wo eines von beiden verwehrt wird, wehren sich die Menschen. Zu Recht. Damals wie heute.«

So ändern sich die Zeiten. Während die aus der SED hervorgegangene PDS die Montagsdemonstrationen feiert, schimpfen nun diejenigen, die diese komische Marotte, zu Wochenbeginn nach einem Friedensgebet auf die Straße zu gehen, früher bejubelten. In der Tat unterscheiden sich die damaligen von den heutigen Montagsdemonstrationen in einem gerade für Bisky nicht unwichtigen Punkt. Als vor 15 Jahren die Menschen in Leipzig und anderswo im Osten demonstrierten, ging es mit der SED rasant bergab. Für die PDS scheint es derzeit dagegen steil bergauf zu gehen. In den Umfragen nähert sie sich in den neuen Bundesländern fast überall der 30-Prozent-Marke und lässt dabei in der Regel die SPD deutlich hinter sich.

Das mag daran liegen, dass die heute in Berlin Regierenden ebenso wie die Regierenden der DDR einfach nicht auf gute Ratschläge staatstragender journalistischer Politikberater hören wollen. So wie jener der Lausitzer Rundschau: »Sie mögen mit den Gesetzen, die jetzt beschlossen wurden, vielleicht gar nicht so falsch liegen, aber sie wissen offensichtlich nicht, was sie damit anrichten. Wolfgang Clement hätte, weil er ja für soziale Gerechtigkeit stehen will, natürlich auch einfach mitmarschieren können in Leipzig am Montag.«

Ist er aber nicht. Anders als die PDS, denn die hat ihre Lektion gelernt. Da, wo sie sich wie in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin als Regierungspartei munter am Sozialabbau beteiligt, schwingt sie auf den Demonstrationen gegen den Sozialabbau ebenso munter ihre roten Fähnchen. Mit Populismus habe das nichts zu tun, versichert Bisky dem Neuen Deutschland. »Wenn wir wirklich populistisch wären, würden wir sofort diese beiden Landesregierungen verlassen.«

Aber das geht natürlich nicht, wenn die PDS dem Erfolgsrezept ihres Vorsitzenden weiter folgen will und sich deswegen – fortbewegungstechnisch nicht ganz leicht – in einem »Dreieck auf die Menschen zu bewegt«. Bisky meint: »Widerstand erwarten die Wähler zu Recht von einer sozialistischen Partei. Aber das ist nicht das Einzige. Zweitens wollen wir mitgestalten, dafür haben wir Alternativen vorgelegt. Drittens wollen wir die Gesellschaft grundlegend verändern, hin zu mehr sozialer Gerechtigkeit.« Und das klingt irgendwie nach dem SPD-Phrasenbuch aus den Jahren vor 1998. Aber was soll’s, solange es die Unzufriedenen im Osten nicht merken.


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