22.09.2004

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Jungle World

*   Luftnummer
Von Pascal Beucker

»Islamistenkongress«.

Nicht weniger als den »1. arabischen & islamischen Kongress in Europa« kündigten die Organisatoren an. Doch das für das erste Oktoberwochenende in Berlin geplante Event, das nunmehr seit eineinhalb Wochen die Republik in helle Aufregung versetzt, ist wohl nicht vielmehr als eine Luftnummer – wenn auch eine reichlich unappetitliche.

Schon die Titulierung der unter dem Motto »Steh auf und leiste Widerstand« stehenden obskuren Konferenz als »Islamistenkongress« in den Medien führt in die Irre. Auch wenn manchem die Differenzierung schwer fällt: Nicht jeder durchgeknallte Fan des palästinensischen und irakischen Terrorismus ist ein Islamist. So hat sich denn der ansonsten wenig zimperliche islamistische »Muslimmarkt« wie auch der Zentralrat der Muslime in Deutschland nicht nur aus taktischen Gründen von der »Phantomveranstaltung« – übrigens: nicht von den im Kongressaufruf verbreiteten »antizionistischen« Parolen – distanziert. Tatsächlich weist der antisemitisch geprägte Kongressaufruf in eine andere Richtung: Er ist getränkt von der Rhetorik des panarabischen Nationalismus.

Dafür sprechen auch die beiden namentlich bekannten libanesischen Hauptorganisatoren. So ist Fadi Madi, der am Wochenende von der Berliner Innenbehörde ausgewiesen wurde, bisher vor allem in linken und globalisierungskritischen Zusammenhängen in Erscheinung getreten, beispielsweise als Unterstützer des von diversen linken Sekten veranstalteten »Antiimperialistischen Lagers« im italienischen Assisi. Madi, der sich früher eine Zeitlang im Dunstkreis der Hisbollah bewegt haben soll, dann jedoch bei der syrischen Sozialistischen Nationalen Partei (SSNP) andockte, bezeichnet sich selbst als »regionaler Koordinator in der arabischen und islamischen Welt für eine weltweite Liga gegen Imperialismus und Zionismus«.

Sein Kompagnon, der nach eigenen Angaben seit 26 Jahren in Berlin lebende Gabriel Daher, glänzte bislang vor allem mit einer Rede zum »4. Jahrestag der Befreiung des Südlibanon« Ende Mai. Darin pries Daher nahöstliche Selbstmordattentäter: »Es waren einzelne Menschen, die ihre Körper gegen die modernste militärische Maschine eingesetzt haben, in einem Akt der höchstwürdigen Selbstverteidigung und Befreiung sowie in einem Akt der Selbstaufopferung, ähnlich einer Mutter, die sich ins Feuer wirft, um ihr Kind aus den Qualen des Feuers zu retten …«

Solche Parolen schrecken die zahlreichen Freunde der »Widerstandsbewegung gegen die Besatzung Palästinas und Iraks« sicherlich nicht. Trotzdem gilt es inzwischen als unwahrscheinlich, dass die ominöse Veranstaltung, die den Sicherheitsbehörden seit Monaten bekannt ist, tatsächlich wie geplant mit 500 bis 800 Teilnehmern im angemieteten »Gala-Festsaal« in der Charlottenburger Lise-Meitner-Straße stattfinden wird – und zwar nicht nur deswegen, weil Bundesinnenminister Otto Schily vollmundig angekündigt hat, alles daran zu setzen, den Kongress zu verhindern. So haben mittlerweile zahlreiche der angekündigten »teilweise hochrangigen« Konferenzteilnehmer eiligst angekündigt, nichts mit der Veranstaltung zu tun zu haben. Ist ja auch klar: Gegen »Zionismus und Imperialismus« aufzutreten, ist in weiten Kreisen zwar en vogue – aber als Islamist möchte man denn doch nicht gebrandmarkt werden.


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