13.01.2004

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taz

*   Der Begriff Berufsbeamtentum wird bleiben 
Von Pascal Beucker und Frank Überall

Aber sonst läuft viel auf eine grundlegende Reform hin. Innenminister Otto Schily ist da auf der Beamtentagung ganz unverblümt.

Der Gegenwind verschärft sich. Was Beamte künftig von ihren Dienstherren, den Innenministern, zu erwarten haben, das sagte Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) gestern auf der Gewerkschaftspolitischen Arbeitstagung des Deutschen Beamtenbunds in Bad Kissingen ganz unverblümt: Schily will eine grundlegende Reform im Beamtenrecht. Der Innenminister forderte längere Arbeitszeiten und mehr Leistung. Er habe mit dem Deutschen Beamtenbund (dbb) vereinbart, "dass wir da richtig herangehen".

Noch klarere Worte dürften heute Morgen fallen. Ausgerechnet Peer Steinbrück, der Ministerpräsident Nordrhein-Westfalens, will seine Vorstellungen über Reformen im öffentlichen Dienst präsentieren. Und von denen, so ist dbb-Chef Peter Heesen überzeugt, gehen "Fundamentalgefahren für unsere Berufsgruppe" aus. Steinbrück plant für den Frühsommer eine Initiative im Bundesrat, um den Artikel 33 des Grundgesetzes zu ändern - die Bestandsgarantie des deutschen Berufsbeamtentums. Ein einheitliches Dienstrecht für Beamte und Angestellte soll geschaffen werden. Dies hatte die "Bull-Kommission" bereits Anfang vergangenen Jahres empfohlen, die die rot-grüne NRW-Landesregierung eingesetzt hatte. Unter Vorsitz des ehemaligen Kieler Innenminister Hans Peter Bull schlug das Gremium vor, den Beamtenstatus weitgehend abzuschaffen und "Beamte im neuen Sinne" nur noch im diplomatischen Dienst, in der Zoll- und Finanzverwaltung, in der inneren und äußeren Sicherheit, in der Justiz sowie in Leitungsfunktionen der obersten Bundes- und Landesbehörden zu beschäftigen.

"Die Düsseldorfer haben gar nicht begriffen, was sie da tun", giftete Heesen. Allerdings übt er sich auch in Optimismus: "Sie werden nichts erreichen." Der dbb-Chef weiß nur zu gut, dass die notwendige Zweidrittelmehrheit in Bundestag in weiter Ferne liegt - den strammen Verfechtern des Berufsbeamtentums aus Union und FDP sei Dank.

Das Hauptproblem der Länder stammt jedoch aus der Vergangenheit: die stetig steigenden Pensionslasten. In ihrem letzten "Versorgungsbericht" aus dem Jahr 2001 kam die Bundesregierung zu alarmierenden Schätzungen: 2030 würden bereits rund 1,4 Millionen Menschen Ruhegeld vom Staat bekommen; momentan sind bereits 846.000 Beamte und ihre Hinterbliebenen zu versorgen. Nun beginnt sich die expansive Verbeamtungspolitik der 70er-Jahre zu rächen. Den damaligen Politikern erschien es praktisch, möglichst vielen öffentlich Bediensteten den Beamtenstatus zu verleihen, um Sozialabgaben zu sparen. Ob Beamte wirklich billiger sind, wurde in diversen Gutachten kontrovers diskutiert. Aber faktisch rechneten die Politiker sowieso wie Milchmädchen, da sie die künftigen Versorgungslasten einfach ausblendeten und keine Pensionsrücklagen bildeten. Für den Bund kündigte Innenminister Otto Schily (SPD) daher gestern in Bad Kissingen ein "Versorgungsfonds" an. Für jeden neu eingestellten Beamten würden dann Rücklagen aufgebaut. Ein entsprechender Gesetzentwurf kursiert gerade in der rot-grünen Koalition.

Da bei den Pensionären jedoch nicht mehr viel zu machen ist, setzen die Landesregierungen auch sonst vor allem bei den aktiven Beamten an. So beschlossen sie im Sommer eine "Öffnungsklausel" und können nun Nebenzahlungen wie Urlaubs- oder Weihnachtsgeld selbst gestalten. Gleichzeitig wurde die Arbeitszeit für Beamte zum Teil auf bis zu 42 Stunden pro Woche ausgedehnt. Kein Wunder, dass der Beamtenbund nichts von einer Ausweitung der Länderkompetenzen hält. Das Motto in Bad Kissinger ist rein rhetorisch gemeint: "Staatenbund statt Bundesstaat - Föderaler Fortschritt oder Rückfall in die Kleinstaaterei?" Einen ersten Erfolg konnte der dbb gestern verbuchen. Schily versicherte, "eine völlige Freigabe der Bezahlungsregeln" stehe nicht zur Debatte.

Manchmal hat die Kleinstaaterei jedoch durchaus Vorteile für einige Beamte. So verkündet Steinbrück gerne öffentlich, dass er den Beamtenstatus für Lehrer abschaffen wolle - in der Praxis jedoch wird es wohl demnächst noch mehr verbeamtete Lehrer in Nordrhein-Westfalen geben. Die Landesregierung berät zurzeit, das Höchstalter für die Verbeamtung von Lehrern vom 35. auf das 45. Lebensjahr heraufzusetzen. Der Grund: Konkurrenzdruck. In den vergangenen Jahren seien viele Lehramtsbewerber in andere Bundesländer abgewandert, weil dort bis 45 oder 50 Jahre verbeamtet werde. Auch so können Reformversuche versanden.


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